SPD und Grüne in Niedersachsen haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Welche Ziele setzt sich die neue Landesregierung für Muslime? Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Nach gut einem Monat nach den Landtagswahlen steht der rot-grüne Koalitionsvertrag für Niedersachsen. SPD und Grüne sehen ein in dem Vertrag viel Arbeit für fünf Jahre Regierungsarbeit. „Es gibt viel zu tun. Es sind entscheidende Jahre, die vor uns liegen“, erklärte der neue Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Weil wird damit seine dritte Amtszeit antreten.
Die neue Vize-Ministerpräsidentin Julia Willie Hamburg (Grüne) sieht es genauso. „Nachdem wir in den letzten Monaten vor der Wahl für einen echten Aufbruch in Niedersachsen gekämpft haben, wird dieser Aufbruch nun endlich Realität“, erklärte sie. In der neuen Regierung wird Hamburg auch den Posten der Kultusministerin bekleiden.
Mit Blick auf das muslimische Leben stehen Themen wie der islamische Religionsunterricht, die Imamausbildung und die Anerkennung islamischer Religionsgemeinschaften im Vordergrund. „Den Dialog mit den muslimischen Religionsgemeinschaften über eine rechtliche Anerkennung wollen wir fortsetzen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Denn die neue Landesregierung möchte in absehbarer Zeit Themen, wie die Ausbildung von Imamen und muslimischen Religionslehrerinnen und Religionslehrer an öffentlichen Universitäten – angehen und dann auch umzusetzen.
Die neue Regierung möchte, dass Niedersachsen „ein gutes Zuhause für alle Menschen ist“ und alle Menschen die gleichen Chancen haben. Unabhängig von ihrer Religion. Im vergangenen Jahr wurde jede Woche ein Angriff auf Muslime oder ihre Einrichtungen verübt. Insgesamt wurden 58 islamfeindliche Straftaten erfasst. In den ersten Monaten dieses Jahres lag die Zahl bei zehn. Die steigende Islamfeindlichkeit und die Angriffe auf Muslime und Moscheen finden jedoch im Koalitionsvertrag kaum Beachtung.
Das vorhandene Kopftuchverbot für die Justiz wird im Koalitionsvertrag nicht erwähnt. Beschäftigte der Justiz in Niedersachsen dürfen seit 2019 in Gerichten und bei Ausübung hoheitsrechtlicher Tätigkeiten keine religiös geprägten Symbole oder Kleidungsstücke – etwa Kreuz, Kopftuch, Kippa – tragen. Die neue Regierung möchte jedoch mehr Vielfalt in der Justiz. „Mit gezielten Personalgewinnungs- und Entwicklungsmaßnahmen wollen wir die Justiz in allen Bereichen für breitere Bevölkerungsgruppen attraktiv machen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Inwieweit dies für Musliminnen gelte, bleibt weiterhin offen. Vor den Wahlen erklärte die SPD gegenüber IslamiQ, dass beim Thema Kopftuchverbot der Anschein vermieden werden soll, dass „die Art und Weise einer Entscheidung könne durch die eine religiöse Orientierung beeinflusst worden sein“.
Niedersachsen sei ein weltoffenes und vielfältiges Land, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch diese Vielfalt wird in der neuen Regierung vermisst. In der rot-grünen Regierung in Niedersachsen werden die SPD sechs Ministerposten besetzen, die Grünen vier. Die Auswahl der Minister widerspiegelt jedoch nicht das Ziel eines „vielfältigen Landes“.
Die Schura Niedersachsen begrüßt die neue Zusammensetzung der Regierung. „Wir freuen uns über die erneute Zusammenarbeit mit der rot-grünen Regierung in unserem Land Niedersachsen“, erklärt Recep Bilgen, Vorsitzender der Schura-Niedersachsen. Die Schura hofft und erwartet, dass man an der bisherigen Kooperation anknüpft und diese weiterentwickelt. Es geht dabei insbesondere um die rechtliche Anerkennung der Muslime, den islamischen Religionsunterricht und die Etablierung von Wohlfahrtsstrukturen. Bilgen zeigt sich optimistisch und betont: „Wir sind bereit!“.