Der „Religionsunterricht für Alle“ soll an zwei Hamburger Schulen testweise erprobt werden. Bei dem interreligiösen Unterricht könnten dann auch muslimische Lehrer Klassen unterrichten. Politiker verschiedener Fraktionen begrüßten das Vorhaben. Es gibt aber auch Kritik.
Noch heute Abend soll eine gemischte Kommission mit Vertretern der Schulbehörde und Vertretern von Muslimen über die Freigabe von Lehrplänen für den künftigen Religionsunterricht in Hamburg entscheiden. Bereits ab dem kommenden Schuljahr könnte so der neu konzipierte „Religionsunterricht für Alle“ in Hamburg testweise erprobt werden. Künftig könne das interreligiöse Fach neben evangelischen Lehrkräften gleichberechtigt auch von muslimischen, alevitischen und jüdischen Pädagogen erteilt werden, schreibt das Hamburger Abendblatt (Montag).
Das Modell werde in den Jahrgängen 5 und 6 erprobt, sagte der Fachreferent in der Behörde für Schule und Berufsbildung, Jochen Bauer gegenüber der Zeitung. Die Testphase dauere voraussichtlich fünf Jahre. An welchen Schulen die Erprobung laufen soll, stehe jedoch noch nicht fest. Geplant sei mit dem Test zunächst an zwei Schulen zu beginnen.
Das Vorhaben wurde von der Bürgerschaftsfraktion der Grünen ausdrücklich begrüßt. Muslimische Religionslehrer seien ein Ausdruck der religiösen Vielfalt Hamburgs. Sie leisteten einen wichtigen Beitrag gegen religiösen Extremismus und für den Dialog. „Eine demokratische, pluralistische Einwanderungsgesellschaft muss den Dialog der Religionen fördern und gestalten. Damit stellen wir uns gegen Extremismus und Fanatismus“, sagte Christa Goetsch, religionspolitische Sprecherin der Grünen.
Distanziert zeigte sich hingegen die CDU-Bürgerschaftsfraktion. Die Weiterentwicklung des „Religionsunterrichts für Alle“ sei die richtige Antwort auf die wachsende religiöse Vielfalt in der Stadt und entspreche der Vereinbarung der Freien und Hansestadt Hamburg mit den islamischen Religionsgemeinschaften und der Alevitischen Gemeinde. „Der Erfolg des Modells hängt in starkem Maße davon ab, ob es gelingt die nötige Akzeptanz für eine plurale interreligiöse Bildung in unserer Gesellschaft zu schaffen“, erklärte die schulpolitische Sprecherin Karin Pien. Ein Pilotprojekt zur Erprobung des Modells sei vor diesem Hintergrund der richtige Weg. „Die Auswahl der Pilotschulen darf dabei auf keinen Fall gegen den Willen der Eltern erfolgen“, sagte Pien. In den Entscheidungsprozess müssten daher unbedingt die Schulkonferenzen der betroffenen Schulen einbezogen werden.
Die FDP hat in der Debatte um den Staatsvertrag Hamburgs mit den muslimischen Gemeinden rechtliche Risiken angemahnt. „Der konfessionsübergreifende entwickelt sich zum religionsübergreifenden Unterricht, was nach Expertenmeinung nicht vom Grundgesetz gedeckt ist“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Anna von Treuenfels und fuhr fort: „Damit wird der bewährte Religionsunterricht für alle dem Risiko des Scheiterns wegen Verfassungswidrigkeit ausgesetzt. Das ist angesichts der hohen Akzeptanz, die dieser Unterricht über Jahre erreicht hat, sehr bedauerlich.“
Als erstes Bundesland hatte Hamburg im November 2012 Verträge mit dem DITIB-Landesverband Hamburg, dem Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg „Schura“, dem Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) sowie mit der Alevitischen Gemeinde Deutschlands geschlossen. Sie beinhalteten bereits einen weiterentwickelten „Hamburger Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung“, an dem bislang schon Buddhisten, Juden, Muslime und Aleviten, nicht aber Katholiken beteiligt sind. Damals hieß es, dass innerhalb von fünf Jahren ein Modell ausgearbeitet werden solle, bei dem nicht mehr nur evangelische, sondern auch muslimische Lehrkräfte unterrichten können.
Die katholische Kirche beteiligt sich nicht am sogenannten „Hamburger Modell“, weil sie den konfessionellen Religionsunterricht bevorzugt. Das Erzbistum Hamburg begrüßte damals aber die Verträge. Katholischen Religionsunterricht gibt es an allen 21 katholischen Schulen sowie an derzeit zehn staatlichen Schulen. (KNA/iQ)