Genau drei Jahre ist der rassistische Anschlag her, bei dem in Hanau neun Menschen ermordet wurden. Bei einer Gedenkveranstaltung erinnern Hunderte Menschen an die Toten – und fordern lückenlose Aufklärung.
Zahlreiche Vertreter aus Politik, von Religionsgemeinschaften und öffentlichem Leben haben am Sonntag in Hanau gemeinsam an die neun Menschen des rassistischen Anschlags von Hanau vor drei Jahren erinnert, die ein 43-Jähriger am 19. Februar aus rassistischen Motiven ermordet hatte, bevor er sich selbst tötete.
„Was geblieben ist, ist eine nicht heilende Wunde“, sagte Ajla Kurtović, deren Bruder zu den Opfern gehört. Man habe sie und die anderen Betroffenen mit ihren Fragen zurückgelassen – „und tut es bis heute“. Die Angehörigen brauchten klare Antworten, keine Relativierungen. Sie werde weiter für Aufklärung und Konsequenzen kämpfen. Dazu erklärte Faeser, es gebe „nicht immer Antworten, die man sich erwartet“. Der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags sei der Ort für die Aufklärung.
Hanaus Oberbürgermeister Kaminsky sagte, die Demokratie müsse „endlich ihr wehrhaftes Antlitz zeigen“ – und zwar konkrekt und erfahrbar. „Nehmen wir die Verantwortung an, die uns alle trifft, und halten wir dagegen an, wenn Einzelnen oder Minderheiten in unserem Land die Würde genommen wird“, forderte er. Die Grundrechte seien wertvoll, teils aber auch fragil und müssten geschützt werden. „Deshalb sagen wir allen Rassisten, allen Antidemokraten, ja allen, die mit ihren Parolen unser Land vergiften wollen: Wir sind mehr! Und wir sind stärker als euer Hass!“
Bei der Gedenkveranstaltung flammte auch die Diskussion über das geplante Mahnmal für die Opfer in Hanau erneut auf. Hinterbliebene warfen der Stadt vor, sich gegen einen Standort am Marktplatz in der Hanauer Stadtmitte zu stellen. Für das Mahnmal war ein Entwurf ausgewählt, der Ort jedoch noch nicht festgelegt worden.
Kaminsky machte deutlich, dass der Marktplatz dafür nicht ausgewählt werde. Hier habe die Stadtgesellschaft mit übergroßer Mehrheit ein „Störgefühl“. Für besser geeignet hält er einen Platz an dem geplanten Zentrum für Demokratie und Vielfalt, für das Faeser am Rande der Gedenkveranstaltung einen Zuwendungsbescheid in Höhe von 3,4 Millionen Euro übergab.
Unter den mehreren hundert Gästen und Teilnehmern der Veranstaltung war auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der zusammen mit Faeser zuvor auf dem Hauptfriedhof Blumengestecke für die Ermordeten niedergelegt hatte. „Es gibt kein Vergessen. Was heute vor drei Jahren in Hanau passiert ist, ist bis heute unfassbar“, erklärte er. Der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus sei Auftrag des Staates. Bei den Betroffenen müsse Vertrauen in den Staat wieder hergestellt werden. „Ich entschuldige mich dafür, dass der Staat nicht in der Lage war, die Opfer zu schützen“, sagte Rhein. Wichtig seien die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses und die daraus abzuleitenden Maßnahmen.
Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser sei es wichtig, aus dieser Tat Konsequenzen zu ziehen „und auch nicht Ruhe zu geben“. Der Täter habe versucht, die Opfer zu Fremden zu machen, „aber das waren sie nicht“, sagte die Ministerin, die in Hessen auch SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Oktober ist. Vom Rechtsextremismus gehe die größte Bedrohung für die demokratische Grundordnung aus, sagte Faeser und verwies auch auf den entsprechenden Aktionsplan. Eine wichtige Form der Prävention sei zudem die Bildungsarbeit.
Auch die islamischen Religionsgemeinschaften gedenken an die Opfer des Anschlags. „Hanau erfüllt uns unvermindert mit Trauer und Schmerz – auch deshalb, weil wir Zeuge eines Aufklärungsversagens werden“, erklärt Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in einer Mittteilung, anlässlich des dritten Jahrestages des rassistisch motivierten Anschlags. „Wir werden nicht müde, an diese unmenschliche Schandtat zu erinnern und diese Erinnerung an nachfolgende Generationen weiterzugeben – als Mahnung für die Zukunft. Möge Allah uns dabei beistehen“, so Mete weiter.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) erklärte in einer Pressemitteilung, dass Fehler, Behördenversagen nicht eingestanden werden, die die Hanauer Betroffenenfamilien trüben und verunsichern würde ; sie sich im Stich gelassen fühlten. „Es sind drei Jahre nach dem antimuslimisch-rassistischen und rechtsextremistischen Terroranschlag in Hanau vergangen, aber immer noch sind wir als Gesellschaft, was das Wording und die Verantwortungsübernahme angeht, nicht viel weiter als vor drei Jahren.“
Der Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), Eyüp Kalyon, forderte eine lückenlose Aufklärung der Tat. „Für die Zukunft müssen der Staat, seine Institutionen, Politiker, gesellschaftliche Akteure, Bürgerinnen und Bürger sich noch intensiver darüber Gedanken machen, wie wir uns als Gesellschaft schützen, damit sich solch eine Tat nicht wiederholt. Dafür müssen wir uns mit aller Kraft einsetzen“, so Kalyon.
Auf Twitter erinnerte auch der Zentralrat der Muslime (ZMD) an das Attentat und forderte eine vollständige Aufklärung.