Laut Religionsmonitor 2023 setzten die meisten Deutschen in der Pandemie auf Familie, Nachbarschaft und Wissenschaft. Religion war vor allem für schon Gläubige wichtig. Die engagierten sich aber überproportional sozial.
In der Pandemie hat sich Religion einer Befragung zufolge bei der Krisenbewältigung nur für einen kleineren Teil der Bevölkerung als hilfreich erwiesen. Rund ein Drittel der 4363 bundesweit repräsentativ Befragten gab an, sich in der Corona-Krise verstärkt mit Fragen nach dem Sinn des Lebens beschäftigt zu haben. Wie weiter aus dem „Religionsmonitor 2023“ der Bertelsmann Stiftung hervorgeht, gaben den meisten Menschen in der Krise Familie und Wissenschaft Halt und Orientierung.
Die Religion spielte bei der Krisenbewältigung zumal in Deutschland „nur eine untergeordnete Rolle“. „Weder hat sich die Gebetspraxis wesentlich erhöht, noch wurde Religion mehrheitlich als hilfreiches Gesellschaftssystem gesehen“, erläuterte die Religionsexpertin der Bertelsmann Stiftung, Yasemin El-Menouar. „Religion gibt vor allem den Menschen Kraft und Orientierung, die schon vor der Pandemie religiös waren“, so die Wissenschaftlerin.
Als positives Ergebnis hält die Stiftung fest: Fast neun von zehn Personen in Deutschland zeigten sich zuversichtlich, auch diese Krise zu überstehen. Und drei Viertel gaben an, sich während der Pandemie mehr für andere engagiert zu haben. Religiöse Menschen seien in dieser Gruppe überproportional häufig vertreten. Glaube „hilft nicht nur, schwierige Zeiten individuell zu bewältigen, sondern kann auch das Engagement für andere stärken“, so El-Menouar.
Dabei wird Religion von den meisten Befragten weniger mit institutionellem, etwa kirchlichem Handeln verknüpft, sondern eher mit sozialen Strukturen, zum Beispiel in den Gemeinden vor Ort und in familiären Beziehungen.
Schließlich dient religiöse Überzeugung auch der Deutung. Als Strafe Gottes wertete in Deutschland aber nur eine Minderheit die Pandemie. Dies fand sich „am ehesten bei dogmatisch-fundamentalistischen Gläubigen, aber auch bei manchen Spirituellen sowie häufigen Moscheebesuchern“. Das Vertrauen, dass Gott in der Pandemie bei den Menschen ist, vermittelten hingegen eher „die konventionellen religiösen Glaubensvorstellungen“, die sich mit einem liebenden Gott verbinden, dem man sich im Gebet und im christlichen Gottesdienstbesuch zuwendet. Diese Überzeugung erwies sich zugleich als Barriere gegen Verschwörungstheorien. Im Vergleich zu denjenigen, die keiner Religion angehörten, stimmten Katholiken und Protestanten signifikant seltener Verschwörungsmythen zu, konstatiert die Studie.
„In modernen ausdifferenzierenden Gesellschaften kann die Religion, wenn es um die Bewältigung von Gesundheitskrisen geht, nur noch eine nachgeordnete Funktion erfüllen, aber in dieser ist sie durchaus von Bedeutung – vor allem für die ‚religiös Musikalischen'“, lautet das Fazit der Studie, die vom Münsteraner Religionssoziologen Detlef Pollack und der Theologin und Politikwissenschaftlerin Carolin Hillenbrand mitverfasst wurde.
Für die überwiegende Anzahl der Muslime war die Rolle ihrer Religion bei der Bewältigung der Corona-Pandemie hilfreich. „Das deckt sich mit unseren Beobachtungen während der Corona-Pandemie“, erklärt Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in der aktuellen Pressemitteilung.
Die überwiegende Mehrheit der Muslime empfänden ihre Religion als hilfreich bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. In diesem Punkt hebten sich Muslime vom Durchschnitt der nichtmuslimischen Bevölkerung deutlich ab. Wie aus dem Religionsmonitor außerdem hervorgeht, fänden Muslime bei der Suche nach dem Sinn des Lebens im Islam deutlich öfter Orientierung als der nichtmuslimische Teil der Befragten. Dies habe sich bereits bei der hohen Nachfrage nach neuen, digitalen Angeboten der Islamischen Gemeinschaft während der Pandemie abgezeichnet. Diese Angebote würden so gut angenommen, dass die Islamische Gemeinschaft entschieden hat, sie unbefristet fortzuführen – so etwa ein YouTube-Channel mit religiösen, gesellschaftlichen und informativen Inhalten.
„Ein weiterer zentraler und wichtiger Befund aus dem Religionsmonitor ist, dass das Vertrauen in die Kompetenz der Religion zur Krisenbewältigung das Vertrauen in Wissenschaft, Gesundheitssystem oder Politik nicht ausschließt – religionsübergreifend. Auch dieser Aspekt deckt sich mit unseren Erfahrungen in den Pandemie-Jahren. Sämtliche Empfehlungen aus Wissenschaft und Politik wurden in den Gemeinden der äußerst verantwortungsvoll angenommen und umgesetzt. Gleichzeitig haben sich sehr viele Gemeindemitglieder ehrenamtlich an einem der zahlreichen Pandemie-Projekte der Islamischen Gemeinschaft engagiert – beispielsweise bei der Nachbarschaftshilfe.“, so Mete weiter.
Interessant sei zudem, dass etwa ein Viertel der Muslime trotz zeitweiser geschlossener Moscheen häufiger gebetet haben. Das ließ sich insbesondere nach den ersten Lockerungen beobachten, als Muslime trotz Maskenpflicht und Hygieneregeln in die Moscheen kamen oder sich an einem der Freitagsgebete unter freiem Himmel versammelten. Dieser Trend lasse sich für die Zeit nach der Pandemie beobachten. Wichtig sei es, daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen und diese in künftige Projekte mit einfließen zu lassen. (KNA, iQ)