Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das sogenannte Burka-Verbot in Frankreich bestätigt. Die Richter kritisierten allerdings den französischen Gesetzgeber scharf. Das Gesetz sei in einer Atmosphäre von Islamfeindlichkeit entstanden heißt es.
Das französische Verbot der Gesichtsverhüllung, auch als Burka-Verbot bekannt, ist Rechtens. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag (01.07.2014) entschieden. Die Beschwerde einer französischen Muslimin, die sich in ihren Menschenrechten verletzt fühlt, wurde abgewiesen. Dennoch übte der Gerichtshof scharfe Kritik am französischen Gesetzgeber.
Im Verfahren hatten die Richter am EGMR mehrere mögliche Verletzungen der Menschenrechtskonvention zu überprüfen. Mit einer Mehrheit wurde jedoch entschieden, dass die französische Lösung zwar fragwürdig, aber rechtens sei. Das Gericht kritisierte, dass Frankreich das Gesetz zu einer Zeit verabschiedet habe, in der antimuslimische bzw. islamfeindliche Ressentiments verstärkt vorhanden gewesen seien und durch das Gesetz zusätzlich gestärkt wurden.
Die französische Regierung habe geltend gemacht, dass das Verbot eine „Geschlechtergerechtigkeit, Respekt für die Würde des Menschen und das Minimum für ein gemeinsames Leben“ stärke. Dem folgte das Gericht so jedoch nicht. Die Richter fragten in der Urteilsbegründung, ob es wirklich notwendig war, wegen einer überschaubaren Zahl von Frauen ein eigenes Verbotsgesetz zu erlassen.
Am Ende ihrer Bewertung vertraten die Richter die Auffassung, dass das Verbot nur dann erlassen werden könne, wenn es dem Schutz der Bevölkerung diene oder aber dem gesellschaftlichen Zusammenleben. Zwar sei eine abstrakte Gefahr für Frankreich immer vorhanden, doch diese habe ein Verbot von Gesichtsverhüllungen bzw. von Burkas nicht gerechtfertigt. Das Gericht befand jedoch, dass aus „integrativen“ Maßnahmen, und weil es in einer Gesellschaft eines Gesichts bedürfe, um miteinander zu kommunizieren, ein Verbot gerechtfertigt sein könne. Entsprechend wurde die Klage der Muslimin abgewiesen.
Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass es sich bei ihrer Bedeckung, um den Niqab (Gesichtsschleier) handele, der anders als eine Burka kein Gitternetz vor den Augen habe. Außerdem sei die Burka ein Ganzkörperschleier, während der Niqab nur das Gesicht verdecke und einen Schlitz für die Augen offen lasse. Die Klägerin konnte auch glaubhaft darlegen, dass sie keinem Druck von außen ausgesetzt gewesen sei, der sie zum Tragen dieser Gesichtsverschleierung gezwungen hätte. Sie erklärte, sie trage den Niqab nicht um andere zu provozieren, sondern weil er ihr eine innere Ruhe gebe.
Das Gericht erkannte das Dilemma an, in der sich die Klägerin befand. Einerseits konnte sie sich gegen ihre Religion stellen und damit gegen ihr Gewissen und ihre Ideale, andererseits riskieren, für das Ausleben ihrer religiösen Pflichten, bestraft zu werden. Das französische Verbot habe dazu geführt, dass alle Frauen wie sie einen Teil ihrer Identität aufgeben mussten, heißt es in einer Erklärung des Gerichts. Dennoch sei das Verbot nicht zu beanstanden, befand die Mehrheit der Richter. Zwei Richter am Gerichtshof vertraten eine ganz andere Sicht der Dinge. Sie hielten das Verbot für rechtswidrig. Die Klägerin blieb – auch aus Angst vor Repressalien in Frankreich – anonym.
Frankreich hat seit April 2011 eines der schärfsten Burka-Verbotsgesetze innerhalb der EU. Dort ist das Tragen einer Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit verboten. Personen, die sich nicht an das Verbot halten, werden mit Geldstrafen von bis zu 150 € und der Pflicht an einem Kurs in „Staatsbürgerkunde“ teilzunehmen belegt. Nach dem französischen Vorbild hatte auch Belgien im Juli 2011 ein solches Verbot erlassen.