Sarajevo

„Schmidt geh weg!“ – Tausende demonstrieren gegen Hohen Repräsentanten

Seit Monaten steht der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien, Christian Schmidt, in der Kritik. Nun forderten tausende Menschen in Sarajevo seine Ablösung.

06
04
2023
Demo gegen Christian Schmidt in Sarajevo © Anadolu Images, bearbeitet by iQ.
Demo gegen Christian Schmidt in Sarajevo © Anadolu Images, bearbeitet by iQ.

Tausende Menschen haben am Freitag in Sarajevo gegen den Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien, den Deutschen Christian Schmidt, demonstriert und seine Ablösung gefordert. Aufgerufen zu der Kundgebung hatten Zivilorganisationen und Intellektuelle, die die Spaltung Bosniens auf ethnischer Grundlage ablehnen. Schmidt hatte in den letzten Monaten in die bosnische Verfassungsordnung eingegriffen und damit nach Ansicht von Kritikern die Position kroatischer Nationalisten gestärkt.

Die Kundgebung vor dem Amt Schmidts verlief friedlich, berichtete das bosnische Nachrichtenportal klix.ba. Einige Demonstranten hielten Schilder hoch, auf denen in Englisch stand: „Schmidt go away, OHR stay!“ (Schmidt geh weg, OHR bleibe!) Das Amt des Hohen Repräsentanten (OHR) war nach dem Bosnien-Krieg (1992-1995) geschaffen worden, um den Friedensprozess zu untermauern und auf Kurs zu halten.

Der Hohe Repräsentant hat weitgehende Vollmachten, mit denen er in die Gesetzgebung des Landes eingreifen kann. Schmidt, ein ehemaliger deutscher Landwirtschaftsminister aus den Reihen der CSU, übt die Funktion seit August 2021 aus. Er steht der konservativen Regierung in Zagreb nahe, die die kroatischen Nationalisten in Bosnien unterstützt.

Im Bosnien-Krieg starben fast 100 000 Menschen, rund zwei Millionen wurden vertrieben. Bosnische Muslime (heute: Bosniaken) standen Serben und zeitweise auch Kroaten gegenüber, die von Serbien beziehungsweise Kroatien mit Waffen und Geld ausgestattet wurden. Das Friedensabkommen von Dayton (1995) beendete das Blutvergießen. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Evergreen sagt:
Wieder wird unvollständig und damit einseitig berichtet. Fairerweise sollte man auch Folgendes im Auge behalten : Die EU hatte Bosnien-Herzegowina anerkannt unter der Voraussetzung, dass dieses neue Land wie die Schweiz Kantone erhält und diese gewisse Selbstverwaltungsrechte bekommen. Izetbegovic ließ sich auf diese Bedingung ein und unterschrieb. Mit dem Flugzeug in Sarajewo zurückgekehrt, wurde er von wütenden Bosniaken empfangen, welche solchen Kantonen keinesfalls eine gewisse Autonomie zugestehen wollten. Daraufhin Izetbegovic noch am Flughafen, dass er dies ja nur unterschrieben habe, um die staatliche Anerkennung zu erhalten. Aber natürlich werde man keine Kantone einrichten und also Anderen auch keine gewisse Autonomie zugestehen. Mit diesem schuld-haften Wortbruch wurde jeder Kompromiss unmöglich. Das Verhängnis nahm seinen Lauf, da die Serben diesen Betrug nicht hinnahmen. Unrecht der Bosniaken relativiert natürlich keinsfalls die Schuld späterer Kriegs-verbrechen.
08.04.23
10:20
Dilaver_Ç. sagt:
@Evergreen Unterstehen Sie sich! Alija İzzetbegoviç hat gar keine Schuld am Kriegsausbruch. Die Schuld am Kriegsausbruch liegt zu 100% bei den serbischen Nationalisten. Es mussten und müssen grundsätzlich keine Zugeständnisse an serbische Nationalisten gemacht werden. Wieso auch? Selbst wenn es so war wie von Ihnen dargestellt, so ist das noch lange kein Grund einen Krieg anzufangen. Wer das in Abrede stellt sowie İzzetbegoviç auch nur eine Mitschuld am Kriegsausbruch gibt, der relativiert hier den Genozid an den Bosniaken.
14.04.23
15:45