CDU und SPD in Berlin haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Welche Ziele setzt sich die neue Landesregierung für Muslime? Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Nach dreiwöchigen Verhandlungen steht der Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Berlin. „Wir wollen einen Aufbruch für die Stadt und wir wollen Erneuerung“, sagte der voraussichtliche künftige Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Montag bei der Vorstellung des innerhalb von gut drei Wochen ausgehandelten Koalitionsvertrags, der den Titel „Das Beste für Berlin“ trägt. Die Stadt müsse besser funktionieren. Die bisherige Regierungschefin Franziska Giffey (SPD), die in der neuen Landesregierung einen Senatorenposten übernehmen soll, sprach von einer „Richtungsänderung“.
Mit Blick auf das muslimische Leben stehen Themen wie das Kopftuchverbot und das Neutralitätsgesetz, die Islamfeindlichkeit und die Imamausbildung im Vordergrund.
Die Berliner Muslime seien ein „fester Bestandteil unserer Stadt“ und bereichern aufgrund ihrer „florierenden kulturellen und religiösen Vielfältigkeit“ die Gesellschaft. Dennoch erfahren sie immer wieder Anfeindungen. „Die Koalition wird die Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen sowie von muslimisch gelesenen Menschen nicht dulden und sämtliche Maßnahmen ergreifen, um jegliche Formen von Gewalt und Hass zu unterbinden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Um die gesellschaftliche Teilhabe noch weiter zu stärken, werde die künftige Regierung mit muslimischen Gemeinden zusammenarbeiten.
Des Weiteren beabsichtigt die neue Regierung, das Neutralitätsgesetz „gerichtsfest“ an die aktuelle Rechtsprechung anzupassen. Kurz vor Veröffentlichung des Koalitionsvertrags, verschickte die Senatsbildungsverwaltung ein Schreiben an alle Schulleiter und erklärt, dass das Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen aufgehoben sei. Das Tragen eines Kopftuches soll nur noch in Einzelfällen verbieten werden. Der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner hat das Rundschreiben aus der Bildungsverwaltung zur Rechtslage beim Tragen von Kopftüchern in allgemeinbildenden Schulen kritisiert. „Es ist alles andere als hilfreich in der jetzigen Zeit, aber wir gucken nach vorn“, so der CDU-Politiker. „Das wird Aufgabe der neuen Landesregierung sein, dass die Schulen hier Kriterien an die Hand bekommen, mit diesem Thema umzugehen.“
Außerdem sollen Lehrkräfte und Schulen in Bezug auf muslimische Kinder und den Islam sensibilisiert werden. Informationen über die Vielfältigkeit muslimischen Lebens in Deutschland sollen vermittelt werden, um möglicherweise vorhandene Stereotype zu durchbrechen.
In Berlin fehlen muslimische Grabflächen. Islamische Bestattungen müssten gestoppt werden, der Zustand sei „unerträglich“, da es keinen Platz mehr gibt. Die Kapazitäten auf den vorhandenen Friedhöfen seien erschöpft. Auch hier möchte die neue Regierung Alternativen schaffen. „Die Koalition wird so schnell wie möglich dafür sorgen, dass Grabflächen für Muslime geschaffen oder ertüchtigt werden, um Bestattungen nach islamischem Ritus zu ermöglichen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Zudem möchte die Regierung eine gesetzliche Grundlage für Bestattungen unter 48 Stunden schaffen.
Dem Thema Islamfeindlichkeit widmen die Koalitionspartner ein eigenes Kapitel. Der 15. März soll entsprechend dem Beschluss der UN-Vollversammlung als „Internationaler Tag gegen Islamfeindlichkeit“ öffentlich thematisiert und gewürdigt werden. Auch werde die „Expert:innenkommission zu antimuslimischem Rassismus im Land Berlin“ fortgeführt. „Mit ihr werden wir eine ressortübergreifende Handlungsstrategie gegen antimuslimischen Rassismus auf den Weg bringen“, erklärt die neue Regierung. Die Handlungsstrategie umfasse mindestens Monitoring, eine Sensibilisierungskampagne sowie die Stärkung der bestehenden Beratungs- und Empowermentstrukturen. Außerdem werde der Senat „einen Leitfaden hinsichtlich Islamfeindlichkeit für Polizei und Staatsanwaltschaft erarbeiten“.
Ein weiteres Anliegen für die CDU und die SPD sei die Imamausbildung. „Wir möchten, dass in Deutschland ausgebildete Imame Verantwortung in muslimischen Gemeinden übernehmen und Orientierung geben“. Daher werde die Ausbildung von Imamen in Berlin – in Kooperation mit den Verbänden – stärker gefördert, betont die neue Regierung. Ferner sollen in Berlin ausgebildete Imame in ihre Gemeinden integriert werden. Weiterhin werden Berliner Moscheegemeinden durch Ehrenamtskoordinierung bei ihrer Arbeit im Kontext der gesellschaftlichen Teilhabe unterstützt. Hierfür möchte die neue Regierung geeignete Kriterien entwickeln. Das Islamforum werden mit einer Koordinierungsstelle gefördert und ein „Landeskonzept muslimisches Leben“ in Berlin erarbeitet.
Zum Schluss möchte ich die neue Regierung ein Migrationsmuseum und Dokumentationszentrum aufbauen, welches sich mit der jüngeren Einwanderungsgeschichte der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter befasst.
In der neuen Landesregierung übernehmen CDU und SPD jeweils fünf Senatsverwaltungen (Ministerien). Hinzu kommt für die CDU der Chefsessel im Rathaus. Giffey wertete die Ressortverteilung als Beleg dafür, dass beide Parteien „auf Augenhöhe“ zusammen regieren wollten. Die CDU hatte bei der Abgeordnetenhauswahl im Februar als Sieger mit gut 28 Prozent etwa zehn Punkte Vorsprung vor der SPD.
Bevor der neue schwarz-rote Senat loslegen kann, sind noch zwei Hürden zu überwinden. Die SPD startete am Dienstag ein Mitgliedervotum dazu, dessen Ergebnis am 23. April bekannt gegeben wird – also in rund drei Wochen. Die CDU entscheidet einen Tag später über das Regierungsprogramm bei einem Parteitag. Am 27. April soll CDU-Landeschef Wegner dann im Abgeordnetenhaus zum Regierungschef gewählt werden, unmittelbar danach ernennt er seine Senatorenriege. Welche Person welchen Posten übernimmt, darunter Giffey, soll erst kurz vorher verkündet werden. (dpa, iQ)