Ein Brandbrief von Lehrkräften einer Schule im Spreewald sorgt bundesweit für Aufsehen. Der künftige Brandenburger Bildungsminister Freiberg wendet sich mit einem Appell an die Lehrkräfte.
Nach einem Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an einer Schule in Brandenburg hat der designierte Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) die Lehrkräfte zu Offenheit aufgerufen. „Ich ermutige alle, wenn sie Schwierigkeiten haben, sich zu melden“, sagte er der „Märkischen Oderzeitung“ (Samstag). „Der erste Schritt, sich daraus zu befreien, ist, darüber zu reden. Ein Brandbrief ist sicher nicht die beste Lösung.“ Er zeigte sich über die Vorfälle „nicht überrascht“. Die Forscherin Heike Radvan forderte, die Kultusministerkonferenz (KMK) solle sich stärker mit Rechtsextremismus an Schulen vor allem in Ostdeutschland befassen.
In einem anonymen Brief hatten Lehrkräfte an einer Schule in Burg im Spreewald beklagt, sie seien täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Dabei geht es um Hakenkreuze auf Möbeln, rechtsextreme Musik im Unterricht und demokratiefeindliche Parolen in den Schulfluren. In dem Brief ist auch von einer „Mauer des Schweigens“ die Rede. Die Lehrkräfte beklagten fehlende Unterstützung von Schulleitungen, Schulämtern und Politik.
Die Rechtsextremismus-Forscherin Radvan hält die Vorfälle nicht für einen Einzelfall. Rechte Vorfälle seien kein neues Phänomen an Schulen, sondern seit vielen Jahren bekannt, sagte die Wissenschaftlerin an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg der Deutschen Presse-Agentur. Die Kultusministerkonferenz müsse genauer hinschauen und eine Interventionsstrategie entwickeln. „Erstmal muss man auch anerkennen, dass Rechtsextremismus ein großes Problem ist.“ Schulsozialarbeit als Antwort sei wichtig, aber allein zu kurz gedacht, zumal Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter dafür gezieltes Wissen und Kompetenzen benötigten.
Rechtsextremismus sei vor allem in Ostdeutschland auffällig, wo die demokratische Zivilgesellschaft im Vergleich zum Westen schwächer ausgeprägt sei, sagte die Forscherin. „Einzelne Stadtgesellschaften werden von rechten Gruppierungen zu dominieren versucht“, sagte Radvan auch mit Blick auf Südbrandenburg. Dort gibt es eine gewachsene rechtsextreme Szene. Die AfD hat dort ihre Hochburgen. Der Rechtsextremismus ist in Brandenburg nach Angaben des Verfassungsschutzes im vergangenen Jahr leicht gewachsen und hat bei der Zahl der Anhänger fast den bisherigen Rekordstand erreicht.
Bei der Frage nach den Ursachen verweist die Expertin auch auf die Weitergabe von Einstellungen durch Eltern an ihre Kinder. „Die Eltern dieser Jugendlichen sind die Generation der NSU-Täter:innen und die Generation, die die Baseball-Schläger-Jahre erlebt und eben auch mit zu verantworten hat.“ Gemeint sind die Nachwendejahre, in denen rechte Gewalt im Osten eskalierte.
Brandenburgs Grünen-Landtagsfraktionschefin Petra Budke hält im Kampf gegen Rechtsextremismus mehr Sozialarbeit für notwendig. „Das ist jetzt klar, dass wir das auch weiter ausbauen und stärken müssen, natürlich auch die multiprofessionellen Teams an Schulen, die Schulsozialarbeit“, sagte Budke der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist sehr, sehr wesentlich, dass wir eben auch Lehrkräfte mit diesem Problem nicht alleine lassen.“ Die Brandenburger Grünen fordern über 185 geplante Stellen hinaus mindestens 215 weitere Schul-Assistenzen für Sozialarbeit, Psychologie, Therapie oder Verwaltung.
Die Fraktionschefin setzt auch auf mehr Zusammenarbeit der Schulen. Das Ziel sei, „dass an Schulen eine Null-Toleranz-Politik herrscht gegen Rassismus, gegen Homophobie, gegen Sexismus“. Dabei sollten auch Schülerinnen und Schüler eingebunden werden.
Die CDU Frankfurt (Oder) forderte ebenfalls null Toleranz an Schulen für solche Taten. Sie verwies neben dem Brandbrief aus Burg auch auf Zeuthen (Kreis Dahme-Spreewald), wo nach Angaben der Polizei vom Donnerstag auf einem Sportplatz gegenüber einer Gesamtschule Fahrradständer in Form eines Hakenkreuzes umgestellt worden waren und der Schulgarten verwüstet wurde.
Die Studierenden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg halten eine Entlastung der Lehrkräfte etwa durch Sozialarbeiter für nötig. „Als GEW fordern wir seit langem eine angemessene Reaktion auf den Fachkräftemangel an den Schulen und multiprofessionelle Teams“, teilten sie mit. (dpa/iQ)