Vor 30 Jahren wurde Solingen von einem rechtsextremen Anschlag erschüttert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kritisiert die damalige Regierung wegen ihrer Versäumnisse im Kampf gegen Rechtsextremismus.
Vor dem 30. Jahrestag des Brandanschlags von Solingen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die damalige Bundesregierung wegen Versäumnissen zu Beginn der 1990er Jahre im Kampf gegen Rechtsextremismus angeprangert. Der Anschlag sei keineswegs aus dem Nichts gekommen, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). „Nach den rechtsextremistischen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda, nach dem Mordanschlag von Mölln nur kurz zuvor hat die damalige Bundesregierung nicht mit aller Klarheit und Deutlichkeit gehandelt, um den mörderischen Rechtsextremismus zu stoppen.“ Sie habe dem Hass nichts entgegengesetzt, keine rote Linie gezogen. „Debatten sind mit Sprüchen wie „das Boot ist voll“ auf dem Rücken von Menschen ausgetragen worden. Und nach diesen Taten fehlte an der Spitze der Bundesregierung auch noch das Mitgefühl, die Empathie und Zuwendung für die Opfer. Das ist für den deutschen Staat bis heute beschämend.“
Rechtsextreme hatten am 29. Mai 1993 das Haus der Familie Genç in Solingen in Brand gesetzt. Das Ehepaar Genç verlor bei dem rassistischen Anschlag zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. 17 Familienmitglieder waren dabei schwer verletzt worden. Der Anschlag gilt bis heute als eines der schwersten rassistischen Verbrechen in der Bundesrepublik. Kurz nach der Tat waren vier junge Solinger im Alter zwischen 16 und 23 Jahren festgenommen worden. Sie stammten aus der rechten Szene und wurden 1995 wegen Mordes verurteilt. Am Montag, dem 30. Jahrestag des Brandanschlags, werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in Solingen erwartet.
Die Lehren aus dem Anschlag könnten nicht aktueller sein, sagte Faeser. „Heute ist für uns sehr klar: Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Gefahr für unsere Demokratie – und für Menschen in unserem Land.“ Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten sei im vergangenen Jahr erneut um 12 Prozent gestiegen. Vor allem Attacken auf Geflüchtete hätten zugenommen. „Deshalb handeln wir mit aller Entschiedenheit. Prävention und Härte sind Kern meiner Strategie gegen Rechtsextremismus. Dazu gehören gut ausgestattete und äußerst wachsame Sicherheitsbehörden auf der einen Seite, und eine lebendige und vielfältige Zivilgesellschaft auf der anderen Seite. Und dazu gehört vor allem, anders als 1993: Empathie für die Betroffenen rechtsextremer Gewalt. Es geht um Menschen, sie zu schützen ist unsere wichtigste Aufgabe.“ (dpa, iQ)