Für erwiesene Extremisten sind Waffen tabu. Doch gilt das dann auch für alle AfD-Mitglieder in Thüringen? Dort wird der Landesverband vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft. Nun gibt es eine erste vorläufige Gerichtsentscheidung.
Ein Mitglied der als rechtsextremistisch eingestuften Thüringer AfD kann vorläufig seine Waffen und die entsprechenden Erlaubnisscheine zurückbekommen. Das entschied das Verwaltungsgericht Gera in einem Eilverfahren. Es wurde eine aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs angeordnet, teilte das Gericht am Montag mit. Zuvor hatten bereits mehrere Medien über die Entscheidung berichtet. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
Die Thüringer AfD wird seit März 2021 vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hatte bereits Mitte vergangenen Jahres betont, den Waffenbesitz von Extremisten in Thüringen unterbinden zu wollen. Die entsprechende Regelung wurde wegen der Einstufung des AfD-Landesverbandes auch auf Thüringer AfD-Mitglieder angewendet.
Das Landratsamt des Saale-Orla-Kreises entzog also auch dem Antragsteller seine Waffenerlaubnisse und begründete dies laut Gericht mit seiner fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Es verwies unter anderem auf den Thüringer Verfassungsschutzbericht 2021, in dem die Einstufung des AfD-Landesverbandes ausführlich begründet wurde. Der Sportschütze wehrte sich dagegen per Widerspruch.
Die erste Kammer des Verwaltungsgerichts stellte nun fest, dass die „Voraussetzungen für einen Widerruf der Waffenerlaubnisse von der Waffenbehörde bislang nicht tragfähig nachgewiesen worden seien“, wie es in der Mitteilung des Verwaltungsgerichts hieß.
„Ein bloßer durch Tatsachen begründeter Verdacht reiche nicht aus. Weder aus dem Vermerk des Verfassungsschutzes vom 23. Mai 2022 noch aus dem Verfassungsschutzbericht 2021 folge jedoch mit der erforderlichen Sicherheit die Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbandes der AfD Thüringen“, heißt es in der Mitteilung.
Schwerpunkt des Vermerks seien Äußerungen eines Landessprechers der Thüringer AfD. „Dessen Äußerungen seien zwar grundsätzlich gewichtige Indizien für die Gesamtausrichtung der Vereinigung. Mit Blick auf die Größe des Landesverbandes der AfD sowie die regelmäßig komplexen Strukturen politischer Parteien könne eine entsprechende Schlussfolgerung jedoch nicht schematisch erfolgen“, hieß es in der Mitteilung. Die beiden AfD-Landessprecher, also die AfD-Landesparteichefs in Thüringen, sind Björn Höcke und Stefan Möller.
Um feststellen zu können, ob eine systematische Verletzung und Missachtung von bestimmten Verfassungsgrundsätzen vorliege, bedürfe es einer „Absicherung durch eine eingehende und ausführliche Analyse der entsprechenden programmatischen Aussagen der Partei sowie der Aussagen einer ausreichenden Vielzahl von Funktionären, Mitgliedern oder sonstigen Personen, die der Partei zugerechnet würden“, heißt es in der Mitteilung.
Das Thüringer Innenministerium prüft nach eigenen Angaben „die Entscheidungsgründe der noch nicht rechtskräftigen Eilentscheidung“. „Andere Verwaltungsgerichte haben zu der Frage der Unzuverlässigkeit eines AfD-Mitglieds im Sinne des WaffG eine andere Rechtsauffassung vertreten“, teilte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage mit. Demnach prüfe man, ob Rechtsmittel eingelegt werden sollen und welche Auswirkungen die Entscheidung auf andere Fälle haben könnte.
In seiner Begründung führt das Gericht auch die Überprüfung von Amtswegen des Sonneberger AfD-Landrats Robert Sesselmann an. Der Antragsteller habe „zu Recht“ darauf hingewiesen, dass das „Prüfungsergebnis des Thüringer Landesverwaltungsamts (…) zur bejahten Verfassungstreue des neu gewählten Landrats des Landkreises Sonneberg (…) gegen die Annahme spricht, es existiere in diesem Landesverband nur eine einzige, alle anderen dominierende politische Grundausrichtung“, heißt es in dem Beschluss des Gerichts.
Nach Angaben eines Gerichtssprechers wurde hier zunächst in einer Eilsache entschieden, somit sei der Beschluss eine vorläufige Entscheidung. Die Behörde könne im Widerspruchsverfahren noch nachbessern und weitere Gründe für ihre Entscheidung des Entzugs der Waffenscheine nachliefern, sagte der Sprecher.
Wie aus dem Beschluss hervorgeht, hatte der Sportschütze seine waffenrechtlichen Erlaubnisse bereits abgegeben und Nachweise erbracht, dass er seine Schusswaffen und Munition an Berechtigte überließ. (dpa/iQ)