Was geschah bei dem Angriff der Hamas am 7. Oktober, der vom besetzten Gazastreifen aus auf Israel verübt wurde? Wie wird sich dieser Angriff auf die Innenpolitik Israels auswirken? Eine Analyse.
Am Samstag, dem 7. Oktober, wurde Israel von Anschlägen überrascht, die unter dem Namen „Aksa-Flut“ durch Hamas verübt wurden. Die Angriffe, die sich zeitgleich mit dem Sukkot-Fest ereigneten, trafen Israel unvorbereitet. Trotz der Ähnlichkeit mit dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 zeigen die jüngsten Angriffe strategische Unterschiede, zumal die Hamas zu dieser Zeit über keinerlei konventionelle militärische Ressourcen verfügte. Auch damals war Israel anfällig, wie zwei Tage zuvor, doch erholte sich das Land schnell von der Offensive der Hamas.
Laut offiziellen Angaben der israelischen Regierung sind bisher 2.750 Palästinenser getötet mehr als 10.000 verletzt worden. Auf israelischer Seite wurden 1.100 Menschen getötet, während über 130.000 Menschen ihre Häuser verlassen mussten.
Ähnlich wie im Jom-Kippur-Krieg von 1973 wurde Israel zunächst überrumpelt. Erst durch die Erklärungen der Hamas erkannte Israel, welcher Situation sie bevorstand. Hamas erklärte, dass es sich nicht um eine Aktion handele, bei der sie lediglich „angreifen und fliehen“ werden, sondern vielmehr um einen umfassenden Krieg gegen Israel.
Angesichts dessen wurden mehr als 5.000 Raketen auf Israel abgeschossen, die bis nach Tel Aviv drangen. Zusätzlich entsandte die Hamas Truppen in den Süden Israels. Berichten zufolge finden die bewaffneten Auseinandersetzungen derzeit in den Städten und umliegenden Gebieten der Militärbasen Kfar Aza, Sderot, Sufa, Nahal Oz, Magen, Be’eri und Re’im statt. Israel reagiert mit schweren Luftangriffen auf den Gazastreifen und erklärte den Beginn der Militäroperation „Eiserne Schwerter“ gegen die Hamas.
Es wird viel darüber diskutiert, wie Israel einen derart großangelegten Angriff nicht vorhersehen konnte. Nachdem die Hamas im Jahr 2005 im belagerten Gazastreifen an Einfluss gewonnen hatte, herrscht eine komplette Blockade. Israel betrachtet den 360 Kilometer langen Gazastreifen, der von zwei Millionen Menschen bewohnt wird, als Sicherheitsproblem. Die Vereinten Nationen erklärten das Jahr 2022 zum „blutigsten Jahr in der Region“, was angesichts der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen und das Dschenin-Lager im Westjordanland zu denken gibt. Es gab Gerüchte, dass neue Aufstände in der Region ausbrechen könnten und einige Gruppen versuchten, diese anzuheizen.
Besonders nach den Parlamentswahlen am 1. November 2022, bei der die rechtsextremen Parteien an die Macht kamen, wurde die unterdrückende Politik der Regierung gegenüber den Palästinensern sowie die Zunahme gewaltiger Zwischenfälle als Zeichen einer bevorstehenden Eskalation in der Region gedeutet. Die Hamas und der „Islamische Dschihad“ hätten wohl die Sicherheitsbarrieren im Gazastreifen in der Vergangenheit auf unterschiedliche Weise durchbrochen, aber noch nie zuvor wäre es so deutlich gewesen, wie jetzt. Dies deute darauf hin, dass die Hamas möglicherweise über die nötigen Kapazitäten verfügt, wichtige israelische Städte wie Sderot und Aschkelon zu belagern.
Die Hamas hatte zuvor, im Jahr 2014, einen Angriff an der östlichen Grenze des Gazastreifens durchgeführt, die allerdings durch Israels besonderem Raketenabwehrsystem „Eisenkuppel“ abgefangen werden konnte. Bei den jüngsten Ereignissen wurden innerhalb kürzester Zeit eine große Anzahl von Raketen auf Israel abgefeuert, wodurch der Abwehrschirm geschwächt wurde. Die Tatsache, dass hochrangige israelische Soldaten, darunter auch Generäle, gefangen genommen wurden, führte zu einem beispiellosen Geiseldrama in der Geschichte des Israel- Palästina-Konflikts. Der Sprecher der Hamas, Khaled Qadomi, erklärte in einer Stellungnahme, dass die begonnene militärische Operation eine Antwort auf all das Unrecht sei, dem die Palästinenser seit Jahrzehnten ausgesetzt seien. Der stellvertretende Vorsitzende der Hamas, Salih el-Arouri, betonte, dass ihr Kampf gegen Israel weitergehen werde, bis die „Freiheit unserer heiligen Stätten erreicht ist“.
Nach den Angriffen erklärte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, dass Israel sich im Kriegszustand befinde. Netanjahu betonte, dass sein Land einen Krieg führe, den sie „gewinnen werden“. Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte, dass die Hamas am Morgen des 7. Oktober einen großen Fehler gemacht habe, indem sie einen Krieg gegen den Staat Israel begann. Die israelische Armee warnte die israelische Bevölkerung in der Nähe des Gazastreifens. Sie sollen ihre Häuser nicht verlassen oder in Schutzräume gehen und begann einen schweren Gegenangriff auf die Siedlungen im Gazastreifen.
Nach den Angriffen unterstrichen vor allem die Vereinigten Staaten und die Europäische Union das Recht Israels zur Selbstverteidigung. Die Türkei und Saudi-Arabien riefen zur Mäßigung auf. Andere Reaktionen und Stimmen zeigen, dass die Hisbollah im Iran und die Taliban-Regierung in Afghanistan ihre Unterstützung für Palästina erklärten. In Erklärungen der Hamas wurde betont, dass die Unterstützung der muslimischen Welt für diese großangelegte Operation gegen Israel unerlässlich sei. In einer Erklärung von Ismail Haniyeh hieß es, dass die Operation von Hamas begonnen wurde, um „die Freiheit der heiligen Stätten“ zu erreichen.
Es ist bemerkenswert, dass diese Angriffe im Zuge des jüngsten Annäherungsprozesses zwischen den Golfstaaten und Israel stattfanden. Zu Zeiten Trumps wurden Normalisierungsprozesse zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko, Sudan und Israel eingeleitet. Mit Joe Biden verlangsamte sich dieser Normalisierungsprozess jedoch. Obwohl der Normalisierungsprozess auf Saudi-Arabien und die Türkei ausgedehnt werden sollte, gab es keine nennenswerten Entwicklungen in dieser Hinsicht. Es liegt auf der Hand, dass die Anschläge dem arabisch-israelischen Normalisierungsprozess einen schweren Schlag versetzen werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Menschen in den Golfstaaten den Normalisierungsprozess mit Israel mit Misstrauen betrachten.
Bei den Wahlen vom 1. November 2022 wurde die bisher stärkste rechtsextrem gesinnte Koalition gewählt. Nach dem Amtsantritt der Koalition blieb die Unruhe im Land bestehen, insbesondere nach der im Januar 2023 angekündigten Justizreform. Diese Proteste hatten landesweit Auswirkungen, während einige Mitglieder der Reservearmee und des aktiven Dienstes der israelischen Armee gegen die Reform protestierten und damit ihren Unmut gegenüber der israelischen Regierung ausdrückten.
Die rechtsextremen Minister Itamar Ben-Gvir, Sicherheitsminister, und Bezalel Smotrich, Finanzminister, unterstrichen bei jeder Gelegenheit die Sicherheitsbedrohungen, denen Israel ausgesetzt sei. Aufgrund der angespannten Situation fanden diese Positionen zunächst einmal kein Gehör in der Regierung Netanjahus. Gerüchten zufolge wurde Ben Gvir zu einigen sicherheitsrelevanten Treffen nicht eingeladen.
Die jüngsten Angriffe könnten den Druck der Rechtsextremen auf Premierminister Netanjahu erhöhen. Es ist möglich, dass Netanjahu in Zukunft eine radikalere Haltung gegenüber der Hamas und dem „Islamischen Dschihad“ einnehmen wird, was als Reaktion auf die Angriffe interpretiert werden könnte. Es ist auch möglich, dass die rechten Parteiführer in Israel Netanjahu die Verantwortung für diese Angriffe zuschreiben werden. Diese Ereignisse könnten in den kommenden Wochen weitreichende Folgen für Netanjahu haben, möglicherweise sogar zu Neuwahlen in Israel führen. Es ist auch möglich, dass die Rechtsextremisten versuchen werden Netanjahu auf eine noch marginalere Weise zu stürzen.
Nach den Angriffen der Hamas bereitet Israel eine Bodenoffensive im Gazastreifen vor. Im Gegenzug dazu muss Netanjahu berücksichtigen, inwieweit die Hamas, der „Islamische Dschihad“ und andere unterstützende Gruppen gegen eine solche Operation vorbereitet sind. Die israelischen Verteidigungskräfte, die bisher als unbesiegbar galten, haben vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse einen schweren Rückschlag erlitten. Es ist wahrscheinlich, dass Israel in Zukunft bedacht handeln wird, da eine Ausweitung des Konflikts auf die gesamte Region die Risiken für Israel erhöhen würde. Die Tatsache, dass die Standorte der gefangenen israelischen Soldaten im Gazastreifen nicht bekannt sind, zeigt gleichzeitig, dass Israel die Operation mit größter Umsicht durchführen muss. Angesichts der gegenwärtigen Auseinandersetzungen ist es ungewiss, in welche Richtung sich dieser Krieg entwickeln wird.