Bei Studien zum sogenannten Racial Profiling wird oft auf den Migrationshintergrund abgestellt. Eine neue Untersuchung geht einen anderen Weg. Dahinter steckt die Überlegung, dass der optische Eindruck bedeutsamer sein könnte als das Geburtsland der Eltern.
Wer von seinen Mitmenschen als ausländisch wahrgenommen wird, muss in Deutschland laut einer Studie mit häufigeren Kontrollen durch die Polizei rechnen als Menschen, auf die das nicht zutrifft. „Unsere Daten zeigen, dass es ein Ungleichgewicht bei polizeilichen Kontrollen im öffentlichen Raum gibt“, sagte Maximilian Müller, Autor der am Mittwoch veröffentlichten repräsentativen Untersuchung des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), „Racial Profiling bei Polizeikontrollen“.
Die Ergebnisse seien „ein Indiz, dass Racial Profiling in Deutschland existiert“, sagte Maximilian Müller. Einen eindeutigen Beweis liefern sie jedoch nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht. Co-Autor Alex Wittlif wies beispielsweise auf einen Effekt hin, der sich trotz des komplexen Studiendesigns seiner Ansicht nach nicht «herausrechnen» lässt. Er sagte: „Kriminalitätsschwerpunkte, in deren Umgebung generell häufiger kontrolliert wird, befinden sich häufig in sozial benachteiligten Stadtvierteln mit einem hohen Anteil an Zugewanderten und ihren Nachkommen.“
Von „Racial Profiling“ spricht man, wenn Menschen allein aufgrund ihres physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale von der Polizei kontrolliert werden. Eine solche Ungleichbehandlung verstößt gegen das verfassungsrechtlich verbriefte Diskriminierungsverbot.
Zu den auffälligsten Ergebnissen der Befragung zählt: 18,4 Prozent der Männer im Alter zwischen 15 und 34 Jahren, die nach eigener Einschätzung aufgrund äußerlicher Merkmale von ihren Mitmenschen als ausländisch wahrgenommen werden, berichteten, sie seien in den vergangenen zwölf Monaten von der Polizei kontrolliert worden. Von jungen Männern, die von ihrer Umwelt nach eigenem Bekunden als Menschen ohne ausländische Wurzeln eingeschätzt werden, betraf dies laut SVR lediglich 11,9 Prozent.
Um falsche Kausalitäten zu vermeiden, hatten die Forscher die Menschen, die zwischen November 2021 und Juli 2022 für das SVR-Integrationsbarometer befragt wurden, explizit gefragt, ob sie nach eigener Einschätzung aufgrund ihres Äußeren – etwa wegen ihrer Hautfarbe oder Kleidung – als Mensch mit Migrationshintergrund wahrgenommen werden oder nicht. Denn ob jemand einen bestimmten Namen trägt oder mit Akzent Deutsch spricht, ist für Polizisten in dem Moment, wo ihre Kontrolle beginnt, oft nicht erkennbar. Nicht berücksichtigt wurden außerdem Kontrollen in privaten Räumen oder Unterkünften.
Wer sich von der Bundespolizei anlasslos kontrolliert fühlt, soll dafür von den Beamten künftig eine sogenannte Kontrollquittung verlangen können. Darauf hat sich die Ampel-Koalition verständigt. Allerdings gibt es zur Novelle des Bundespolizeigesetzes, in die das einfließen soll, noch keinen Kabinettsbeschluss. Auf der Quittung sollen etwa Ort, Zeit und Grund der Überprüfung der Personalien vermerkt werden. Der SVR regt an, solche Kontrollquittungen auch für Polizeibeamte der Länder einzuführen. Bisher gibt es das lediglich in Bremen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die Kontrollquittung für überflüssig und befürchtet einen erheblichen Verwaltungsaufwand.
Die meisten Polizeibeamten leisteten eine vorbildliche Arbeit, betonte die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, Reem Alabalil-Radovan. Die Zahlen des SVR machten aber deutlich, dass Erfahrungen mit „Racial Profiling“ im Kontakt mit der Polizei keine Einzelfälle seien. Diese Erfahrungen führten zum Verlust von Vertrauen, sagte die SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe sich dafür eingesetzt, dass das im Grundgesetz verankerte Verbot rassistischer Diskriminierung in das neue Bundespolizeigesetz aufgenommen wird, das demnächst vom Kabinett beschlossen werden soll, ebenso wie das Recht auf Ausstellung einer Kontrollquittung.
Die Mehrheit polizeilicher Kontrollen finde jedoch in den Ländern und nicht durch die Bundespolizei statt. Deshalb liege es nun in der Verantwortung der Länder, gleiches auch für die dortigen Polizeien zu initiieren. (dpa, iQ)