Islamische Begriffe werden oft missbraucht und verlieren dadurch ihre eigentliche Bedeutung. Im IslamiQ Glossar geht es um die ursprüngliche Bedeutung der Wörter. Heute: Kalifat.
Das Wort „Kalifat“ stammt aus dem arabischen Verb halafa mit der Wortbedeutung „nachfolgen“. Im Koran wird der Mensch als „Kalif“ bezeichnet (Sure Bakara, 2: 30). Gemeint ist die Fähigkeit des Menschen, auf der Erde Herrschaft und Autorität auszuüben, und sich somit die Erde zu erschließen und sie zu besiedeln.
In den islamischen Quellen wird das Wort „Kalif“ als eine Bezeichnung für den Führer der muslimischen Gemeinschaft verstanden.
Nach dem Tod des Propheten Muhammad wurden nacheinander Abu Bakr, Umar, Othman und Ali zum Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft gewählt. Sie gelten als die rechtgeleiteten Kalifen. Die Wahl der vier Kalifen erfolgte zunächst durch ein Gremium und wurde dann durch die Anerkennung der muslimischen Gemeinschaft bestätigt. Der Ausdruck Kalif wurde im Laufe der Zeit zusätzlich zu anderen Bezeichnungen wie „Imam“ oder „Gebiet der Gläubiger“ verwendet. Damit etablierte sich auch für die Muslime ein eigenes Führungssystem, das als „Kalifat“ bezeichnet wurde.
Die Aufgaben des Kalifats unterschieden sich nicht von den eines Staatsoberhaupts. Dazu gehörte u. a. die Durchsetzung des Gesetzes, die Verteidigung des Herrschaftsgebiets sowie die Verteilung von Zakat und die Kontrolle über die Behörden, Ämter und dafür zuständigen Personen.
Der muslimischen Gemeinschaft stand das Recht zu, den Kalifen zu kontrollieren, zu befragen und zur Rechenschaft zu ziehen. 1924 wurde der letzte Kalif, Abdulmecid II., abgesetzt und somit das Kalifat abgeschafft.
Nach schiitischem Verständnis kann der Kalif (auch als „Imam“ bezeichnet) nicht durch eine Wahl bestimmt werden. Der schiitische Glaubensgrundsatz besagt, dass es ein religiös begründetes Kalifat geben müsse. In der islamischen Theologie wird das Kalifat als eine politische Institution verstanden, die aufgrund gesellschaftlicher Bedürfnisse entstanden ist.
Heute wird der Begriff „Kalifat“ von Extremisten instrumentalisiert, um ihre eigene politische Agenda zu verfolgen. Insbesondere radikale Gruppen verwenden den Begriff, um ihre fragwürdigen Vorstellungen von Herrschaft und Autorität zu legitimieren. Diese Instrumentalisierung hat dazu geführt, dass der ursprüngliche Sinn des Kalifats – eine politische Institution, die gesellschaftlichen Bedürfnissen entspringt – oft verzerrt wird. Die Mehrheit der Muslime lehnt diese Form der extremistischen Auslegung des Kalifats ab und setzt sich für einen friedlichen und authentischen Islam ein, der auf den Prinzipien der Gerechtigkeit, Toleranz und des gegenseitigen Respekts basiert.
Literatur
Klaus Kreiser und Rotraud Wielandt (Hrsg.) 1992: Lexikon der islamischen Welt. Kohlhammer.
Ralf Elger (Hrsg.) 2001: Kleines Islam-Lexikon, 3. Aufl. C. H. Verlag
Richard Heinzmann (Hrsg.) 2013: Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam, Herder Verlag.