Pirna

AfD-Kandidat gewinnt erstmals Wahl zum Oberbürgermeister

Die AfD stellt erstmals einen Oberbürgermeister – im sächsischen Pirna. Das Votum der Wähler stößt auf Kritik. Derweil geben sich die Unterlegenen gegenseitig die Schuld.

18
12
2023
0
Symbolbild: AfD © Shutterstock, bearbeitet by iQ
Symbolbild: AfD © Shutterstock, bearbeitet by iQ

Nach dem Sieg ihres Kandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl in Pirna geht die AfD selbstbewusst in das Wahljahr 2024. „Wir wollen hier in Sachsen gewinnen, wir wollen deutlich gewinnen, wir wollen an die 40 Prozent rankommen. Das ist eine Steilvorlage für unsere Partei für das nächste Jahr“, sagte der sächsische AfD-Chef Jörg Urban der Deutschen Presse-Agentur. Die AfD habe gezeigt, „dass es geht“, dass sie mit einem deutlichen Vorsprung auch gegen die CDU und die Freien Wähler gewinnen könne.

In Sachsen wird am 1. September 2024 ein neuer Landtag gewählt. Bereits im Juni stehen Kommunalwahlen und Europawahlen an. In Sachsen regiert derzeit eine Koalition aus CDU, Grünen und SPD mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an der Spitze. In einer Anfang Dezember veröffentlichten Umfrage in Sachsen stand die AfD mit 33 Prozent gleichauf mit der CDU.

Lochner ist parteilos, trat aber für AfD an

Mit Tim Lochner hatte am Sonntag erstmals ein Kandidat der AfD eine Oberbürgermeisterwahl in Deutschland gewonnen. Der 53 Jahre alte Tischlermeister und Restaurator setzte sich im zweiten Wahlgang gegen Kontrahenten von CDU und Freien Wählern durch. Lochner selbst ist parteilos, trat aber für die AfD an. Laut Stadtverwaltung kam er nach dem vorläufigen Ergebnis auf 38,5 Prozent der Stimmen. Dahinter rangieren Kathrin Dollinger-Knuth (CDU) mit 31,4 Prozent und der parteilose Ralf Thiele mit 30,1 Prozent, der für die Freien Wähler ins Rennen gegangen war. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,8 Prozent.

Der bundesweit erste Sieg der AfD hat bei anderen Parteien und Verbänden Besorgnis ausgelöst. „Die Bürgerinnen und Bürger von Pirna haben entschieden. Das ist Demokratie, das Ergebnis beunruhigt uns im Deutschen Städtetag aber sehr“, erklärte der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, am Montag in Berlin. Das Ergebnis zeige, dass vielerorts ein Riss durch die Gesellschaft gehe.

„Wir nehmen die Menschen in unseren Städten wahr, die krisenmüde sind und manchen politischen Diskussionen nicht mehr folgen wollen oder können. Ihnen muss unser Augenmerk gelten. Sie sind es, die wir bei den vielen Veränderungen, vor denen wir stehen, mitnehmen müssen“, so Lewe. Das werde nicht gelingen mit Parteien, die extremistische Positionen vertreten. „Extremistische Parteien setzen darauf, die Gesellschaft zu spalten und schüren Angst und Verunsicherung.“

„Diesen Wählerwillen aus Pirna gilt es zu respektieren“

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) äußerte sich im Kurzmitteilungsdienst X (vormals Twitter) so: „Die #AfDhat die OB-Wahl in #Pirna gewonnen. Gegen zwei respektable Mitbewerber legte der AfD-Kandidat im 2. Wahlgang nochmals zu. Diesen Wählerwillen aus Pirna gilt es zu respektieren. Genauso die Entscheidung der Mitbewerber, im 2. Wahlgang wieder anzutreten…“

Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt sah am Wahlabend einen „schwarzen Tag“ nicht nur für die Stadt Pirna. „Es ist den Wählenden egal ob eine Partei als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, sie wählen sie bewusst trotzdem“, schrieb er bei X. Auch Gebhardts Fraktionskollegin Juliane Nagel nutzte X für eine erste Reaktion: „Ein relevanter Teil der Bevölkerung ist indifferent, schweigt, ein Teil wählt auch einen Vertreter einer ‚gesichert rechtsextremen Partei‘.“

Das Internationale Auschwitz Komitee erinnerte an die Geschichte Pirnas als Ort der Euthanasie-Verbrechen. In der Pflegeanstalt Pirna- Sonnenstein ermordeten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940 und 1941 rund 13 720 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen. „Darüber hinaus ist diese Wahl ein bitteres Signal an alle Repräsentantinnen und Repräsentanten der demokratischen Parteien, was geschieht, wenn sie sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können und der AfD und ihren Wählerinnen und Wählern das Feld überlassen“, erklärte Vize-Präsident Christoph Heubner.

„Leider haben sich die Wähler entschlossen, allein weiterzumachen“

Die Freien Wähler attackierten am Montag die CDU. Die CDU habe es nicht fertiggebracht, sich hinter den nach dem 1. Wahlgang zweit platzierten Kandidaten der Freien Wähler zu stellen, sagte Thomas Weidinger, Landeschef der Freien Wähler in Sachsen. „Stattdessen hat man mit dem nochmaligen Antritt der CDU-Kandidatin bewusst in Kauf genommen, für die AfD den Steigbügelhalter zu spielen.“

Die unterlegene CDU-Kandidatin Dollinger-Knuth sah das noch am Wahlabend anders. „Obwohl wir fast alle Kräfte hinter unserem politischen Angebot versammelt haben, hat sich der Wähler anders entschieden. Leider haben sich die Freien Wähler entschlossen, allein weiterzumachen und damit den Weg für einen AfD-Erfolg geebnet“, sagte sie. Beides gelte es zu akzeptieren. (dpa/iQ)