Im Jahr 2000 startete die rechtsextremistische Terrorgruppe NSU ihre Mordserie. Bis 2007 brachte sie zehn Menschen um. Erst 2011 wurden die Täter enttarnt. Das Kürzel NSU kursierte in MV aber schon viel früher – ohne dass ihm die Behörden groß Aufmerksamkeit schenkten.
Misstrauen zwischen den Ermittlungsbehörden hat nach Einschätzung des Linke-Landtagsabgeordneten Michael Noetzel möglicherweise eine frühzeitige Enttarnung der rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU verhindert. „Nachdem sich innerhalb der Polizei das Gefühl breitmachte, der Verfassungsschutz halte ihnen Informationen vor, teilten sie im Gegenzug selbst nur spärlich Informationen. In diesem Klima blieben so möglicherweise Informationen auf der Strecke, die zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen des Kürzels NSU geführt hätten“, erklärte Noetzel am Montag in Schwerin nach einer Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der NSU-Aktivitäten und weiterer rechtsterroristischer Strukturen in MV. Der Linke-Politiker berief sich auf Aussagen eines Beamten des Landesverfassungsschutzes, der vom Ausschuss gehört wurde.
NSU steht als Kürzel für „Nationalsozialistischer Untergrund“. Die Terrorzelle, bestehend aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, hatte von 2000 an über Jahre hinweg unerkannt zehn Morde in ganz Deutschland verübt. Unter den Opfern war Mehmet Turgut, der 2004 in Rostock erschossen wurde. Auf das Konto des NSU sollen auch mehrere Raubüberfälle gehen, darunter zwei, die in Stralsund auf Sparkassen verübt wurden. Mundlos und Böhnhardt töteten sich 2011, um ihrer Festnahme zu entgehen – erst damit war der NSU aufgeflogen.
Erstmals war das Kürzel NSU 2002 öffentlich geworden, als der Herausgeber des rechtsextremen Magazin „Der weisse Wolf“ in einem Heft dem NSU für eine Spende dankte. Dem war von den Behörden damals aber keine nachhaltige Beachtung geschenkt worden. Laut Noetzel hatte es 2004 einen weiteren Hinweis gegeben. Damals hätten Polizeibeamte im Zuge der Durchsuchung einer Konzertscheune in Salchow nahe Anklam (Landkreis Vorpommern-Greifswald) auf Plakaten gleich mehrfach das Kürzel NSU festgestellt und auch in der Akte vermerkt.
Diese Akte habe jedoch nie den Nachrichtendienst erreicht. Es sei spekulativ, ob der NSU bereits damals hätte enttarnt und damit mehrere Morde hätten verhindert werden können, wenn innerhalb des Verfassungsschutzes alle verfügbaren Informationen zusammengetragen worden wären. „Fakt ist jedoch, dass der Landesverfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern die Chance hatte, alle damals verfügbaren Puzzleteile auf den Tisch zu legen“, konstatierte Noetzel.
Kritische Worte kamen auch von der FDP. „Der NSU konnte lange unbemerkt morden und die Ermittlungsbehörden an der Nase herumführen, weil den kleinsten Spuren zu wenig Bedeutung beigemessen wurde“, erklärte FDP-Fraktionschef René Domke. Warum sich die zuständigen Behörden untereinander nicht oder völlig unzureichend austauschten, sei eine der Schlüsselfragen. Selbst nach der Selbstenttarnung des NSU sei die Zusammenarbeit nicht optimal gelaufen. Die Architektur des Verfassungsschutzes müsse an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden. „Tunnelblicke, ungeteiltes Wissen, starre Kompetenzreiterei ohne Koordinierung und ohne Austausch können eine Verfassung und einen Staat nicht wirksam schützen“, warnte Domke. (dpa/iQ)