Mehr als 100 Lehrkräfte an Berliner Hochschulen haben sich in einem Brief hinter propalästinensische Demonstranten gestellt und den Polizeieinsatz kritisiert. Politiker zeigen dafür kein Verständnis.
In einem „Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten“ haben mehr als 100 Dozenten von mehreren Berliner Hochschulen für die Studierendenproteste und ihre Ablehnung von Polizeigewalt zum Ausdruck gebracht. Das Statement, das als Reaktion auf die Räumung eines Protestcamps auf dem Campus der Freien Universität Berlin (FU) veröffentlicht wurde, betont die Verpflichtung der Lehrenden, ihre Studierenden zu begleiten, zu schützen und vor allem auf Augenhöhe zu behandeln.
„Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, dass auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt“, heißt es in der Erklärung.
Die Lehrenden betonen die Bedeutung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit als grundlegende demokratische Rechte, die auch und gerade an Universitäten geschützt werden müssen. Besonders in Anbetracht der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten, wie der angekündigten Bombardierung von Rafah und der humanitären Krise im Gazastreifen. Die Dozenten fordern die die Berliner Universitätsleitungen auf, von „Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen“.
Laut Dozenten gehöre es zu den Pflichten der Universitätsleitung, solange wie nur möglich eine dialogische und gewaltfreie Lösung anzustreben. „Diese Pflicht hat das Präsidium der FU Berlin verletzt, indem es das Protestcamp ohne ein vorangehendes Gesprächsangebot polizeilich räumen ließ“, heißt es in der Stellungnahme. „Der Dialog mit den Studierenden und der Schutz der Hochschulen als Räume der kritischen Öffentlichkeit sollte oberste Priorität haben – beides ist mit Polizeieinsätzen auf dem Campus unvereinbar.
Die Lehrenden fordern eine dialogische und gewaltfreie Lösung und betonen, dass grundrechtlich geschützter Protest nicht darauf ausgerichtet sein muss, Dialog zu suchen. „Nur durch Auseinandersetzung und Debatte werden wir als Lehrende und Universitäten unserem Auftrag gerecht“, heißt es in der Stellungnahme abschließend.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte der „Bild“: „Für die Verfasser dieses Pamphlets habe ich überhaupt kein Verständnis.“ Berliner Universitäten seien und blieben Orte des Wissens, des kritischen Diskurses und des offenen Austauschs. „Antisemitismus und Israelhass sind aber keine Meinungsäußerungen, sondern Straftaten“, betonte der CDU-Politiker.
Die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz bezeichnete den Brief als einen „Tiefpunkt für die deutsche Wissenschaft“. Sie habe kein Verständnis dafür, „wenn Professoren und Dozenten einen Mob von Antisemiten und Israelhassern verteidigen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion der Zeitung. (dpa, iQ)