Die Geschichte der Muslime in Deutschland reicht viel weiter zurück, als viele denken. Die Existenz von Moscheen, die vor über 100 Jahren erbaut wurden, sind ein deutlicher Beweis dafür.
Moscheen in Deutschland stehen oft im Mittelpunkt von Debatten wie dem öffentlichen Gebetsruf, Imamen aus dem Ausland oder den Moscheeanschlägen. Die Existenz von Moscheen in Deutschland ist jedoch nicht auf diese Debatten beschränkt – und auch nicht mit der Ankunft der Gastarbeiter in den 1960er-Jahren im Rahmen der Arbeitsmigration entstanden.
Die Geschichte der Moscheen in Deutschland ist älter, als man denkt. Die Präsenz der muslimischen Minderheit im Land gibt auch wichtige Hinweise auf ihr Verhältnis zum deutschen Staat. Im folgenden Beitrag werden die zweiältesten Moscheen in Deutschland vorgestellt.
Die Wünsdorfer Moschee ist älteste Moschee Deutschlands, existiert aber nicht mehr. Sie wurde während des Ersten Weltkriegs im „Halbmondlager“ in Wünsdorf, einem Ortsteil von Zossen im Land Brandenburg, 40 Kilometer südlich von Berlin, errichtet. Im Halbmondlager, das für arabische, indische und afrikanische Kriegsgefangene der britischen und französischen Armee eingerichtet wurde, waren etwa 30.000 Muslime als Kriegsgefangene untergebracht.
Am 11. November 1914 teilte der deutsche Botschafter Hans von Wangenheim in Istanbul mit, dass Sultan Mehmet V. in Berlin eine Moschee errichten wolle, damit muslimische Kriegsgefangene in Deutschland ihren religiösen Verpflichtungen nachkommen könnten. Die deutschen Behörden nahmen dieses attraktive Angebot an. Der Archäologe Prof. Dr. Reinhard Bernbeck hielt nichts davon. Der Professor leitete zusammen mit Prof. Dr. Susan Pollok vom Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin die Ausgrabungen zur Auffindung von Überresten der Moschee. 2015 sagte er, die Moschee sei nicht als Gefälligkeit für die Gefangenen gebaut worden. Sie sei eine
„Idee des Dschihad, um gegen ihre Kolonialherren zu kämpfen.“
Tatsächlich schickte das Osmanische Reich Imame in die Wünsdorfer Moschee, um die Gefangenen zum Seitenwechsel zu bewegen. In den Lagern wurde eine Propagandazeitung namens „El Dschihad“ verteilt. Nach Angaben des Forschers Bernbeck wurden jedoch viele Gefangene „zum Kampf aufseiten der Osmanen geschickt, desertierten aber später wegen der Misshandlungen in den Lagern“.
Der Begriff „deutscher Dschihad“ kann als einfache Substantivierung aufgefasst werden. Der deutsche Diplomat, Archäologe und Orientalist Max von Oppenheim entwickelte dieses Konzept, um die 300 Millionen Muslime, die unter der damaligen Kolonialherrschaft lebten, durch die Propagandatätigkeit der Nachrichtenstelle für den Orient (NfO) gegen die Kolonialmächte zu mobilisieren. Es kann also als die deutsche Version des „Lawrence von Arabien“-Projekts verstanden werden.
Die Moschee kostete 45.000 Mark und wurde in fünf Wochen von Karl Bernhard, einem der bedeutendsten Bauingenieure der damaligen Zeit, errichtet. Sie bestand aus einem Rauf für den Imam, einem Leichenwaschraum und einem Waschraum. Die Moschee hatte ein 23 Meter hohes Minarett und ihre Grundfarben waren elfenbeinweiß mit roten und grauen Streifen. Für die Wünsdorfer muss es ungewöhnlich gewesen sein, statt der Kirchenglocken den Muezzin und den Gebetsruf zu hören.
Die Kuppel der Moschee, die 400 Personen fassen konnte, hatte einen Durchmesser von 12 Metern. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen ethnischen Herkunft der muslimischen Gefangenen und um einen psychologischen Nutzen daraus zu ziehen, wurden in der Moschee architektonische Elemente islamischer Bauten in Spanien, des Felsendoms in Jerusalem, osmanischer Moscheen und des Tadsch Mahal kombiniert.
Am 13. Juli 1915, mit Beginn des Ramadan, wurde die Moschee unter Beteiligung des türkischen Diplomaten Mahmut Muhtar Pascha eingeweiht. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs begannen die muslimischen Gefangenen jedoch allmählich in ihre Heimatländer zurückzukehren. Mit Genehmigung der Behörden setzte eine Gruppe von 90 Personen, die in zwei Baracken in der Nähe der Moschee lebten, ihr (religiöses) Leben in Wünsdorf fort.
Nachdem 1924 der Grundstein für die Wilmersdorfer Moschee gelegt worden war, gab es keinen Grund mehr, die Wünsdorfer Moschee, die ein Holzbau war, zu nutzen. 1927 bot die Gesellschaft für islamische Gottesverehrung an, die Wünsdorfer Moschee für 10.000 Mark an den deutschen Staat zu verkaufen und das Geld für einen Neubau in Wilmersdorf zu verwenden. Die Fertigstellung der Wilmersdorfer Moschee im Jahr 1928 führte schließlich zum Abriss der Wünsdorfer Moschee im Jahr 1930.
Die Wilmersdorfer Moschee in Berlin wiederum ist die älteste Moschee in Deutschland, die noch als solche genutzt wird. Sie wurde zwischen 1924 und 1928 an der Berliner Straße von der Ahmadiyya-Gemeinde erbaut und am 23. März 1928 eingeweiht. Ihr Bau wurde durch Spenden finanziert. Der deutsche Architekt K.A. Herrmann entwarf die Moschee nach dem Vorbild der Mogul-Architektur des Tadsch-Mahal-Mausoleums in Indien. Die Wilmersdorfer Moschee bietet Platz für 400 Personen und verfügt über ein 32 Meter hohes Minarett. Die Kuppel misst 26 Meter in der Höhe.
Während der Weimarer Republik gab es Rivalitäten und Streitigkeiten zwischen muslimischen Gemeinschaften und muslimischen Studierendengruppen in Berlin. Daher konnte nur das Projekt der Wilmersdorfer Moschee realisiert werden. Die Moschee erklärte sich daraufhin „gleichermaßen offen für Muslime aller muslimischen Nationalitäten und Konfessionen“. Eine Zusammenstellung von Berichten über die Eid-Feiern in der Wilmersdorfer Moschee aus verschiedenen Berliner Zeitungen, die 1934 in der „Moslemische Revue“ erschien, unterstreicht ebenfalls die Vielfalt der Moscheegemeinde. Sie zeigt auch, dass die Eid-Feier im Rampenlicht der Öffentlichkeit und der Medien standen und wirft ein Licht auf das bunte und lebendige religiöse Leben der Muslime, die hier zusammenkamen – wenn auch nur für kurze Zeit.
Laut einem Bericht der Deutschen Allgemeinen Zeitung aus dem Jahr 1931 hielt der Imam der Wilmersdorfer Moschee beim Eid-Gebet eine Predigt auf Deutsch. Das Programm wurde im Radio übertragen und es wurden Feigen und Süßigkeiten gereicht. Am Abend nahmen die Muslime in ihrer kulturellen Kleidung an der Eid-Feier teil und bekamen Tee, Datteln, Süßgebäck und Gebäck serviert. Nach dem Essen wurden Hymnen gesungen und Gedichte rezitiert.
Viele Menschen konvertierten in der Moschee zum Islam. Der Prominenteste unter ihnen waren Leopold Weiss, ein in Österreich geborener ungarischer Politiker, Denker und Journalist, der vom Judentum zum Islam konvertierte. Nach seiner Konvertierung wurde er bekannt als Muhammad Assad. Der Autor des Buches „Der Weg nach Mekka“ und des Kommentars „Die Botschaft des Korans“ reiste mit seiner Frau Elsa Schiemann-Specht (Aziza Assad) nach Mekka, um nach seiner Konversion 1926 in einer Berliner Moschee die Pilgerreise anzutreten.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 begann für die Moschee eine dunkle Zeit, und die Gemeinde wurde instrumentalisiert, um den Hass gegen die Juden in Deutschland zu schüren. Ein Großmufti namens Muhammad Amin al-Husseini, der 1941 nach Deutschland geflüchtet war, hielt in der Moschee antisemitische Hetzreden. Die Gemeinde half dem langjährigen Vorsitzenden der Moschee, Hugo Marcus, der zum Judentum konvertiert war, heimlich bei der Flucht in die Schweiz. Dr. Mohamed Helmy, ein ägyptischer Arzt, der zu dieser Zeit in Berlin lebte, rettete mithilfe des Leiters des islamischen Zentralinstituts Kamal al-Din Galal eine jüdische Familie vor den Nazis – mit Dokumenten, die dem Großmufti al-Husseini gestohlen wurden.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs geriet die Moschee unter Beschuss der Roten Armee. Das Moscheegebäude wurde schwerbeschädigt, die Minarette stürzten ein, und die Kuppel wurde von Artilleriefeuer getroffen. Nach dem Krieg wurde die Moschee vorübergehend mithilfe der Alliierten wiederhergestellt und 1945 dank Spenden von Moschee-Mitgliedern aus der ganzen Welt für den Gottesdienst wiedereröffnet.