Als erstes Bundesland hat Hamburg 2012 Verträge mit Muslimen und Aleviten geschlossen. Nach zweijähriger Bewertung setzt die rot-grüne Landesregierung weiter auf Kooperation. Muslime begrüßen diese Entscheidung.
Hamburgs Staatsverträge mit Muslimen und Aleviten werden weitergeführt. Die Hamburgische Bürgerschaft verabschiedete am Mittwochabend einen Antrag der rot-grünen Regierungsfraktionen, der sich für eine Intensivierung des Dialogs mit den Vertragspartnern ausspricht.
Hamburg hatte 2012 als erstes Bundesland Verträge mit drei islamischen Religionsgemeinschaften und der alevitischen Gemeinde geschlossen. Ähnlich wie bei den christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde regeln sie unter anderem deren Rechte auf Wahrnehmung religiöser Feiertagen, den Bau von Gotteshäusern und die Bestattung nach religiösen Vorschriften.
Vertragspartner sind zum einen die Schura – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg, der DITIB-Landesverband Nord und der Verband Islamischer Kulturzentren sowie zum anderen die Alevitische Gemeinde Deutschland.
In den vergangenen zwei Jahren waren die Verträge evaluiert worden. Die Hamburger Landesregierung, der Senat, zog nach Gesprächen mit den Religionsgemeinschaften und Experten eine positive Bilanz. Die Verträge böten eine gute Grundlage für eine Kooperation zwischen der Stadt und den Religionsgemeinschaften, heißt es in einem Bericht.
In dem nun beschlossenen Antrag fordern SPD und Grüne den Senat dazu auf, mit den Vertragspartnern über ihr Engagement für Freiheit und Demokratie sowie gegen Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu sprechen. Auch sollen die Verträge künftig alle zehn Jahre erneut bewertet werden.
„Die Verträge mit den islamischen und alevitischen Religionsgemeinschaften haben für Hamburg zu konkreten Erfolgen geführt“, sagte SPD-Abgeordneter Ekkehard Wysocki. Als Beispiele nannte er das bundesweit einzigartige Modell des Hamburger „Religionsunterrichts für alle“, die Zusammenarbeit zur Prävention von religiösem Extremismus und eine Vereinbarung zur Imamausbildung. „Die 2012 geschlossenen Verträge zwischen der Stadt Hamburg und den islamischen sowie alevitischen Religionsgemeinschaften sind ein Meilenstein für die gleichberechtigte Teilhabe und Anerkennung in unserer Stadt“, ergänzte Grünen-Politiker Michael Gwosdz.
Die Vizevorsitzende der Schura, Özlem Nas, begrüßt die Fortführung der Staatsverträge auf Anfrage von IslamiQ. „Die Hamburgische Bürgerschaft hat durch ihren positiven Beschluss bekräftigt, dass die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Freien Hansestadt Hamburg und den Islamischen Religionsgemeinschaften ein bedeutsamer Mehrgewinn für das gesamtgesellschaftliche Miteinander in Hamburg ist“, erklärt Nas. Außerdem gäbe es bereits einen kontinuierlichen Austausch über aktuelle Themen und Herausforderungen, die das muslimische Leben in Deutschland betreffen, wie etwa antimuslimischen Rassismus oder die prekäre räumliche Lage von Moscheegemeinden. Auch sei die Zusammenarbeit beim Religionsunterricht bundesweit einzigartig.
Des Weiteren zeuge der Beschluss für Nas von einer positiven Haltung zur muslimischen Vielfalt in Hamburg, die als wichtiger Bestandteil der Hamburger Stadtgesellschaft gesehen und nicht pauschal unter Generalverdacht gestellt werde. „Die Fortsetzung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist auch ein wichtiges Signal und eine Absage an alle, die Spaltung, Ausgrenzung und Sonderbehandlung vorantreiben wollen und sich gegen ein gleichberechtigtes Miteinander in Vielfalt aussprechen“, so Nas abschließend.
Die CDU fordere eine echte Evaluierung des Staatsvertrages Hamburgs, sagte ihr Fraktionschef Dennis Thering der dpa. Diese müsse von einer unabhängigen Wissenschaftskommission vorgenommen werden. „Die Frage lautet, ob alle Vertragspartner die in Artikel 2 festgelegten Werte der Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Grundrechte und der Toleranz wirklich verinnerlicht und gelebt haben.“ Die Antwort sei ernüchternd. Einen Antrag der CDU, den Vertrag mit den Muslimen auszusetzen, wurde von einer Mehrheit der Abgeordneten abgelehnte.
„Die Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass einige Vertragspartner diese Werte nicht nur missachtet, sondern auch aktiv gegen sie gearbeitet haben“, sagte er und nannte als Beispiel eine fehlende klare Abgrenzung der Schura von extremistischen Gruppierungen und die Verbindung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) mit dem iranischen Regime. Das seit langem vom Verfassungsschutz beobachtete und als extremistisch eingestufte IZH war erst Ende 2022 angesichts der anstehenden Evaluierung der Verträge und aufgrund hohen politischen Drucks aus der Schura ausgetreten. (KNA, dpa, iQ)