Sachsen

Landratsamt lässt Ausstellung über Geflüchtete vor Eröffnung abbauen

Eine Ausstellung mit den Porträts von Geflüchteten wirbt an verschiedenen Orten in Sachsen um Verständnis für die, die in der Fremde Fuß fassen wollen. In einer Stadt kommt das gar nicht gut an.

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09
2024
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Ausstellung über Geflüchtete
Ausstellung über Geflüchtete: "Es ist nicht leise in meinem Kopf"

Eine Ausstellung zu im Erzgebirge lebenden Geflüchteten im Landratsamt Pirna wurde in der vergangenen Woche kurz nach dem Aufbau wieder entfernt. Die Behörde entschied nach Beschwerden, die Präsentation noch vor der Eröffnung zu stoppen. Die Fotos und Texte von Migranten im Erzgebirge wurden nach zweieinhalb Stunden von den Wänden im Foyer und einem Gang abgehängt, die für den 25. September geplante Vernissage abgesagt. Der Ökumenische Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche fordert die Verwaltung und den Landrat des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auf, die Präsentation zu zeigen.

Landratsamt begründet Schritt mit Polarisierung

Die Präsentation polarisierte schon in den ersten Stunden nach dem Aufbau „und sorgte für eine aufgeheizte Stimmung unter den anwesenden Betrachtern“, heißt es in einer Erklärung der Verwaltung des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Man habe „zu keiner Zeit“ ein positives Feedback „zu den zahlreichen negativen Äußerungen der in unserem Land Schutzsuchenden“ erhalten. „Insofern war die Ausstellung aus unserer Sicht nicht geeignet, Vorurteile abzubauen, wie im Vorfeld kommuniziert, sondern vielmehr diese noch zu verstärken.“

Aussagen wie „Wir sind eingesperrt wie hinter einer Mauer“, oder in Bezug auf die Polizei „… nur kontrolliert wirst, weil du schwarz bist … “ oder „… Ich habe kein Leben in Deutschland“ riefen nach Angaben der Behörde „verständlicherweise den Unmut und das Unverständnis von Bürgern und Mitarbeitern des Landratsamtes“, hervor. Daher habe man vom Hausrecht Gebrauch gemacht und den sofortigen Abbau veranlasst.

Integrationsbeauftrage bedauert Absage

Die Beauftragte für Integration und Migration des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Yvonne Böhme, bedauert das. Sie hatte die von Engagierten in Schwarzenberg kuratierte Wanderausstellung eingeladen. Sie sollte die in der Bevölkerung existierenden Vorurteile gegenüber geflüchteten Menschen abbauen helfen, über deren Sorgen und Ängste informieren und aufklären und für mehr Verständnis und Akzeptanz werben.

„Ich kann die Entscheidung verstehen“, sagte Böhme. Aber die Reaktionen von Besuchern, die über negative Darstellung und Undankbarkeit schimpften, stünden „völlig konträr zu der Botschaft, die rüberkommen sollte“. Mit den 37 Portraits und Geschichten werde um Verständnis geworben für die teils schwierige Situation Geflüchteter, deren Start in Deutschland nicht immer leicht sei. „Ich habe die Texte gelesen, ich habe das auch so verstanden.“

Leider sei diese Botschaft nicht oder völlig gegenteilig angekommen. „Der asyl- und integrationskritische Bürger liest da raus, die kommen hierher, leben auf unsere Kosten, kriegen alles und beschweren sich noch darüber“, sagte Böhme. Sie und auch andere hätten das „niemals so verstanden“.

Ausstellung bereits an anderen Orten

Die Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf“ war ein Beitrag zur Interkulturellen Woche (14. September bis 7. Oktober) in der Stadt. Sie gibt Einblick in die Lebenswirklichkeit von 37 Geflüchteten und zeigt, mit welchen Problemen sie im Bemühen, in der Fremde Fuß zu fassen, konfrontiert sind. Bei bisherigen Präsentationen seit Juli 2023, darunter im Sächsischen Landtag, gab es keine Probleme. „Es ist der erste Vorfall dieser Art; der Vorgang ist ungeheuerlich“, sagte Eva Howitz vom Flüchtlingsunterstützerkreis Schwarzenberg. Dass eine staatliche Behörde aufgrund von Beschwerden Bilder abhängt, sei eine neue Dimension. „Wir sind schockiert über das Vorgehen; es zeigt die gesellschaftliche Entwicklung in erschütternder Weise.“

Die Stadt Pirna am Tor zur Sächsischen Schweiz hat einen AfD-nahen Oberbürgermeister, der zuletzt mit dem Verbot Schlagzeilen machte, wie in den Vorjahren um den Christopher Street Day am Rathaus die Regenbogenfahne zu hissen. Neben dem rechten Image der Stadt und der Region gibt es auch viele Engagierte und Netzwerke, die sich um die dort untergebrachten Geflüchteten kümmern, sagte Böhme. Vor allem bei ihnen stößt die Absage der Ausstellung, die auch zur Diskussion anregen sollte, auf viel Unverständnis. „Den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, kommt bei den Menschen nicht gut an.“

Der Ökumenische Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche als Organisator der bundesweiten Aktionswoche kritisierte das Vorgehen des Landratsamtes deutlich. Die Vorsitzende Beate Sträter zeigte sich schockiert und fassungslos. Die Entfernung einer Ausstellung, die über die Lebenssituation Geflüchteter informiere, „sendet ein fatales Signal in die Gesellschaft – nämlich, dass man die Sorgen und Nöte der Geflüchteten nicht sehen möchte“, sie „stattdessen dankbar und ansonsten still zu sein haben». Die Sätze, die zu Beschwerden geführt haben sollen, spiegeln vielmehr die Lebensrealität vieler Geflüchteter in Deutschland «und waren in einer solchen Ausstellung zu erwarten“, sagte Sträter. (dpa, iQ)