Die Ampel-Regierung hatte Muslimen in Deutschland mehr Sicherheit, Gleichberechtigung und Teilhabe versprochen. Geliefert hat sie das Gegenteil. Ein Kommentar von Fabian Goldmann.
Der „zunehmenden Bedrohung von Musliminnen und Muslimen und ihren Einrichtungen“ wolle man mit „umfassendem Schutz, Prävention und besserer Unterstützung der Betroffenen“ begegnen. Das war eines von vielen Versprechen, das SPD, Grüne und FDP den rund sechs Millionen muslimischen Menschen in Deutschland im November 2021 in ihrem Koalitionsvertrag gegeben hatten.
Drei Jahre später ist die Zahl antimuslimischer Straftaten und Diskriminierungsfälle so hoch wie nie, Muslime und Musliminnen von echter Teilhabe und Gleichberechtigung so weit entfernt wie lange nicht. Schuld daran hat auch und vor allem die Politik der scheidenden Ampel-Regierung.
„Der Islam gehört natürlich zu Deutschland“, lautete noch so ein leeres Versprechen. Gesagt hatte es im Januar 2022 Nancy Faeser (SPD). Als frisch ernannte Bundesinnenministerin versprach Faeser damals, Islamfeindlichkeit stärker zu bekämpfen, nur um anschließend das Gegenteil zu tun.
Als im Jahr darauf der noch von der Vorgängerregierung eingesetzte „Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ den passenden Blueprint für die Gleichberechtigung von Muslimen vorlegte, verschwand der 400 Seiten starke Bericht erst in der Schublade und schließlich im Schredder des Bundesinnenministeriums. Bis heute haben Faeser und ihre Kabinettskollegen keine einzige der dutzenden Handlungsempfehlungen der Expertenkommission umgesetzt.
Was sie selbst von der Idee muslimischer Teilhabe hält, machte Faeser unter anderem bei der Islamkonferenz am 21. November 2023 klar. Ohne Begründung lud sie den Zentralrat der Muslime kurzfristig von dem eigentlich als Dialogforum konzipierten Event aus. Statt sich dem ursprünglich angesetzten Thema „Muslimfeindlichkeit“ zu widmen, nutzte die Bundesinnenministerin die Veranstaltung für eine in weiten Teilen muslimfeindliche Rede – und dazu, um sich vom Bericht ihrer eigenen Expertenkommission zu distanzieren.
Auch in der Asyl- und Integrationspolitik dominierten Diskurse rund um Ausgrenzung und Stigmatisierung die Legislaturperiode der Ampel. Mit den mittlerweile zum Spottbegriff gewordenen „großen Bauchschmerzen“ billigten die Grünen im Juni 2023 den sogenannten EU-Asylkompromiss und damit eine repressive Migrationspolitik, von der vor einigen Jahren noch nicht einmal die AfD geträumt hatte. Als SPD, Grüne und FDP das Gesetz im Dezember 2023 abgesegneten, hagelte es Kritik durch Menschenrechtsorganisationen.
Auch darüber sorgte die Politik der Ampel dafür, dass muslimische und arabische Migranten in den letzten drei Jahren vor allem als Sicherheitsproblem wahrgenommen wurden. Drei von unzähligen Beispielen: Die Verabschiedung des „Rückführungsgesetzes“ vom Oktober 2023, Olaf Scholz, der auf dem Cover von Der Spiegel forderte: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“[5] und ein eigens zu Wahlkampfzwecken organisierter Abschiebeflieger nach Afghanistan im August 2024.
Mit ihrer ausgrenzenden Politik gegenüber Muslimen und Asylsuchenden wäre die Ampel wahrscheinlich dennoch nur als Fußnote in die Geschichte der deutschen Islam- und Migrationspolitik eingegangen. Zu sehr hat man sich schon an die kontinuierlichen Gesetzesverschärfungen und stigmatisierenden Debatten gewöhnt. Wäre da nicht der 7. Oktober 2023.
Der Angriff der Hamas bildete den Startpunkt zu einer in der bundesdeutschen Geschichte beispiellosen politischen Stimmungsmache gegen muslimische und arabischstämmige Menschen, die im öffentlichen Diskurs über alle Parteien hinweg als „Antisemiten“ und „Terror-Sympathisanten“ dargestellt wurden. Eines von vielen Beispielen: In einer über die gesamten Parteienlandschaften gefeierten Rede zu „Israel und Antisemitismus“[6] behauptete Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) am 2. November 2023 erst wahrheitswidrig muslimischen Repräsentanten in Deutschland hätten sich nicht von Hamas und Antisemitismus distanziert und drohte ihnen, sie würden „ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen“.
Der zunehmend antipalästinensischen und antimuslimischen Stimmungsmache folgten auch bald konkrete Maßnahmen: Schließungen von Moscheen, Verbote von palästinensischen Symbolen und Slogans, Demoverbote, Absagen (vermeintlich) propalästinensischer Veranstaltungen, von denen auch viele jüdische Kulturschaffende betroffen waren. Dass Menschenrechtsorganisationen Deutschland mittlerweile regelmäßig für Einschränkungen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit kritisieren – auch das gehört zur Bilanz von drei Jahren Ampel-Regierung.
Fragt man muslimische und arabischstämmige Menschen in Deutschland selbst nach ihrer Meinung zur Ampel-Regierung, dann verblasst aber selbst diese beispiellose rassistische Diskursverschiebung angesichts des Frusts über das Unrecht, das Israel mit deutscher Hilfe im Nahen Osten begeht. Mit der bedingungslosen Unterstützung eines Krieges, der täglich neue Verbrechen und Massaker produziert und vielen Experten längst als Völkermord gilt, hat die Ampel-Regierung muslimische und arabischstämmige Menschen in Deutschland in einem Maß von deutscher Politik und Gesellschaft entfremdet, wie es Jahre rechter Migrations- und Islamdebatten nicht geschafft haben.