









Begrenzung und Zurückweisung: Union und SPD planen für ihre künftige Regierung härtere Regeln in der Migrationspolitik. Neben inhaltlicher Kritik stellen Experten auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Pläne.
Die Pläne der künftigen Bundesregierung zur Migrationspolitik könnten aus Sicht von Experten rechtswidrig sein. Eine Zurückweisung von Menschen an der bundesdeutschen Grenze verstoße – selbst in Absprache mit den jeweiligen Nachbarländern – gegen das Europarecht, erklärte die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl am Montag. Auch Migrationswissenschaftler haben Zweifel, ob sich der geplante Kurs umsetzen lässt.
CDU/CSU und SPD hatten am Sonntag ihre Sondierungsgespräche für eine künftige Regierungskoalition beendet. In der Migrationspolitik wollen die Parteien künftig einen schärferen Kurs verfolgen. Neben der Zurückweisung von Migranten an EU-Binnengrenzen sind auch eine Begrenzung als Leitlinie der Migrationspolitik sowie die Einstellung des Familiennachzugs und eine Abschiebeoffensive geplant. Auf Basis des Sondierungspapiers können nun die Koalitionsverhandlungen der Parteien beginnen.
Laut Pro Asyl könnten Zurückweisungen an der Grenze durch den Kompromiss zunehmen. Auch könne sich die Praxis in naher Zukunft in weiteren europäischen Ländern durchsetzen. „In der künftigen Koalition drohen Menschenwürde, Menschlichkeit und Menschenrechte unter die Räder zu kommen. Recht wird zur Seite geschoben, absehbare Rechtsbrüche werden teils mit Formelkompromissen kaschiert“, so der Geschäftsführer der Organisation, Karl Kopp.
Pro Asyl übt generelle Kritik an der nun vorgelegten Einigung. So sei gerade das Aussetzen des Familiennachzugs für die Betroffenen menschenrechtlich inakzeptabel, da in diesen Fällen ein Zusammenleben mit der Familie im Herkunfts- oder einem anderen Drittland meist unmöglich sei. Zudem schürten Abschiebungen, insbesondere nach Syrien und Afghanistan, wie sie nun regelmäßig stattfinden sollen, nicht nur die Ängste aller Menschen aus diesen Ländern, die in Deutschland Zuflucht gefunden hätten.
Auch der Migrationsexperte Daniel Thym meldet juristische Zweifel an, ob Zurückweisungen an der Landesgrenze zulässig sind. „Das geht nur aufgrund einer EU-Notstandsklausel, die sehr vage formuliert ist“, sagte der Professor an der Universität Konstanz im Interview der „Süddeutschen Zeitung“. Gleichwohl fordert er klare Signale an Geflüchtete, dass die Willkommenskultur in Deutschland zu Ende sei.
Der Wissenschaftler empfahl deshalb, nicht pauschal alle Asylbewerber zurückzuweisen. „Denkbar wäre etwa, dass Familien und Minderjährige aus humanitären Gründen weiter ins Land kommen, während junge Männer zwischen 18 und 40 Jahren zurückgewiesen werden.“ Außerdem sollte die künftige Regierung die Maßnahmen befristen. „Dauerhafte Zurückweisungen über viele Monate hinweg haben eine sehr geringe juristische Chance.“
Laut Thym sind jedoch eine umfassende EU-Asylreform sowie ein besserer Schutz der Außengrenzen unumgänglich. „In den Asylzentren an den EU-Außengrenzen, die nächstes Jahr eingeführt werden, sollte nicht nur eine Minderheit das Verfahren durchlaufen.“ Es brauche auch Modellprojekte für Asylverfahren schon in Drittstaaten und Rückführzentren für Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. (KNA/iQ)