Hamburg steht zu seiner Vielfalt

„Wir sollten Muslimen mehr Anerkennung entgegenbringen.“

Eine Studie an der Humboldt-Universität zu Berlin verweist auf weitgehende Akzeptanz von Vielfalt in der Hamburger Bevölkerung – gemessen an Einstellungen gegenüber Muslimen. Jedoch sind die Zustimmungswerte zu anti-muslimischen Vorurteilen auch in der offenen und liberalen Hansestadt weiterhin hoch.

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2014
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Die Hamburger Bevölkerung ist Muslimen gegenüber aufgeschlossen und zeigt ein sichtbares Maß an Offenheit gegenüber Diversität. Allerdings halten sich auch weiterhin zahlreiche Vorurteile hartnäckig. Dies zeigt die repräsentative Studie „Hamburg postmigrantisch“, die im Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt wurde und die anlässlich der Jungen Islam Konferenz – Hamburg 2014 und mit Förderung der Stiftung Mercator am Samstag im Hamburger Rathaus in Auszügen veröffentlicht wurde.

„In Hamburg gibt es ein solides Fundament der Toleranz gegenüber Pluralität. Auf Grundlage dieser starken demokratischen Kultur erleben die meisten Hamburger die muslimische Kultur als Bereicherung. Doch nahezu ein Drittel der Hamburger Bevölkerung vertritt weiterhin abwertende Ansichten, mit starken Vorurteilsmotiven“, so Dr. Naika Foroutan stellvertretende Direktorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität zu Berlin.

„In postmigrantischen Gesellschaften – also Gesellschaften, die ihre identitäre Struktur neu aushandeln, nachdem sie Migration als unumkehrbare Realität erkannt haben – ist ein solches Auseinanderklaffen der Positionen typisch. Die Gesellschaft polarisiert sich zunehmend entlang der Haltung gegenüber Vielfalt, die auch durch und nach Migration entsteht. Wir dürfen uns also nicht zurücklehnen, wenn wir einen Integrationsoptimismus messen – denn gleichzeitig nimmt der Rechtspopulismus zu“, erklärt die Sozialwissenschaftlerin.

Antimuslimische Bilder im Alltag etabliert

Laut Studie sind stereotype Haltungen gegenüber Muslimen in Hamburg weiterhin hoch: Ein Drittel der Befragten stimmt der Aussage „Muslime sind aggressiver als wir“ zu und schreibt damit Muslimen nicht nur unveränderliche Eigenschaften zu, sondern markiert sie als klare Fremdgruppe außerhalb des deutschen „Wir“. Die Bildungsorientierung muslimischer Eltern wird zwar von 44,9 Prozent der Befragten mit der der Eigengruppe gleichgesetzt. Dennoch gibt es bei 34,9 Prozent der Befragten Vorbehalte, das eigene Kind in eine Schule zu schicken, in der jeder vierte Schüler muslimisch ist. Und 20,9 Prozent der Hamburger nehmen Muslime als soziale Belastung wahr.

Etwas mehr als jede vierte Person in Hamburg stimmt zudem der Aussage zu „Muslime in Deutschland bedrohen viele Dinge, die ich in dieser Gesellschaft für gut und richtig halte“. Als bedroht erachten die Befragten Werte wie das soziale Miteinander, Sicherheit und Ordnung oder Religions- und Glaubensfreiheit.

Die StudieDie Studie “Hamburg postmigrantisch. Einstellungen der Hamburger Bevölkerung zu Musliminnen und Muslimen in Deutschland“ ist unter http://junited.hu-berlin.de/hamburg-postmigrantisch-2014 erhältlich.Das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung

Das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) wird durch die Gemeinnützige Hertie-Stiftung, den Deutschen Fußball-Bund (DFB), die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert und unterstützt.

http://www.bim.hu-berlin.de

Einstellungen zu religionspolitischen Fragen dennoch positiv

Während die Hamburger und Hamburgerinnen religiösen Symbolen im Klassenzimmer grundsätzlich kritisch gegenüberstehen – nur 36,5 Prozent denken, dass diese erlaubt sein sollten – zeigen sie sich dem Kopftuch bei Lehrerinnen gegenüber aufgeschlossener: 43,9 Prozent der Befragten halten dieses individuelle religiöse Symbol für zulässig.

Offen zeigen sich die Hamburgerinnen und Hamburger auch beim Bau von Moscheen: Nahezu zwei Drittel sprechen sich gegen Einschränkungen beim Bau öffentlich sichtbarer Moscheen aus. Gespalten ist die Hamburger Bevölkerung hingegen bezüglich der Beschneidung von Jungen: Fast die Hälfte aller Befragten will dieses Kernelement des jüdischen und muslimischen Glaubens verbieten. Trotz rechtlicher Anerkennung dieser Praxis bleiben Vorbehalte, die in der Beschneidungsdebatte aufgebrochen und geschürt wurden, weiter bestehen.

Die Selbstwahrnehmung Hamburgs als multikulturelle, multi-ethnische, multi-religiöse und multi-nationale Stadt ist offenbar so stark verankert, dass damit eine gewisse Gelassenheit gegenüber religionspolitischen Themen einhergeht, trotz der starken Säkularität in der Bevölkerung. Positive Signale finden sich auch in Zustimmungswerten von 65,5 Prozent zu der Aussage „Wir sollten Muslimen mehr Anerkennung entgegenbringen.“ Darüber hinaus nehmen 58,7 Prozent der Hamburger den Islam als eine kulturelle Bereicherung wahr.

Wissen über Muslime gering – Begegnungen stärken

Ein Großteil der Hamburger Bevölkerung (58,5 Prozent) schätzt ihr eigenes Wissen als gering ein, wohingegen 39,8 Prozent meinen, sehr bis eher viel über Muslime in Deutschland zu wissen. Allerdings haben weitere Analysen gezeigt, dass die Einschätzung des eigenen Wissens als hoch oder niedrig keinen Einfluss auf die Einstellungen gegenüber Muslimen bspw. in Bezug auf die Wahrnehmung von deren Aggressivität hat. 43,4 Prozent der Hamburger Befragten ziehen ihr Wissen zu islambezogenen Themen aus Gesprächen mit muslimischen Personen. Auch Medien wie Fernsehen und Zeitungen bilden zwar eine wichtige Wissensquelle, aber Gespräche mit Muslimen gehen auffälligerweise mit Einstellungen einher, die weniger von Stereotypen geprägt sind. Diese Tatsache verweist auf die Notwendigkeit, Dialogprojekte und Alltagskontakte auszubauen. Sie stellen einen positiven Einflussfaktor für den Abbau von Vorurteilen dar.