Mit offiziellem Auftrag. Justizministerin Niewisch-Lennartz (Grüne) hat 36 muslimische Seelsorger und Seelsorgehelfer berufen. Sie sollen den Glauben richtig lehren und vor Radikalisierung schützen. Religionsgemeinschaften Schura und DITIB sind fest eingebunden.
Zwar gibt es in Niedersachsen noch keinen Staatsvertrag mit den muslimischen Religionsgemeinschaften, doch das hindert die Parteien nicht, gemeinsame Projekte zum Wohle der Gesellschaft zu realisieren. Eines dieser Projekte, dass von der Schura Niedersachsen und dem Landesverband Niedersachsen der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) getragen wird, ist die Gefängnis-Seelsorge für muslimische Insassen.
Knapp zwei Jahre nach dem Start hat Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) im Rahmen einer Feierstunde die Bestellung von 22 anwesenden muslimischen Seelsorgern und Seelsorgehelfern für den Justizvollzug vorgenommen. „Sie gehen zukünftig im Auftrag des Justizministeriums in die Anstalten. Die Bediensteten, alle Mitarbeiter des Justizvollzuges und ich heißen Sie herzlich willkommen!“, sagte Niewisch-Lennartz bei der Eröffnung der Bestellung.
In ihrer Ansprache beschrieb die Ministerin den langen und erfolgreichen Dialog der Vergangenheit zwischen muslimischen Seelsorgern aus allen Regionen Niedersachsens, die bereits längere Zeit in Justizvollzugsanstalten tätig seien, den Bediensteten und Leitungen der Anstalten sowie den christlichen Seelsorgern. Als ersten Meilenstein des bisherigen Weges betonte Niewisch-Lennartz eine im Dezember 2012 geschlossene Vereinbarung zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Niedersächsischen Justizministerium.
„Ich bin überzeugt, dass es Ihnen gelingen wird, Gefangenen, die nicht selten nach Orientierung suchen, zentrale Werte des Islam wie Geduld, Rücksichtnahme und rechtes Handeln zu vermitteln. Indem Sie zu den Gefangenen in die Anstalten gehen, mit ihnen Gespräche führen und einen respektvollen Glauben praktizieren, können Sie diese bei ihrer Suche nach einer stabilen Identität unterstützen“, appellierte Niewisch-Lennartz an die Anwesenden.
Am 14.10.2014 wurden die insgesamt 36 muslimischen Seelsorger und freien Seelsorgehelfer offiziell durch das Niedersächsische Justizministerium berufen. Dadurch erhalten die Helfer einen an die christlichen Seelsorger angenäherten Status, der ihnen den unbürokratischen Kontakt mit Inhaftierten muslimischen Glaubens erlaubt und die Unterstützung durch die Anstaltsleitungen und das Personal sichert. Damit wurde zugleich ein wesentliches Element der geschlossenen Vereinbarung zur muslimischen Anstaltsseelsorge umgesetzt.
Die muslimischen Seelsorger werden durch die muslimischen Religionsgemeinschaften (DITIB und Schura) ausgewählt. Darüber, in welchen Anstalten wie viele und welche Personen als Seelsorger (Imame) und freie Seelsorgehelfer (Laien) tätig werden, entscheidet eine aus Vertretern der Landesverbände DITIB und Schura, dem Niedersächsischen Justizministerium und den Anstaltsleitungen zusammengesetzte Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Vereinbarung in Abstimmung mit den Leitungen der Justizvollzugsanstalten.
Darüber hinaus plant die gebildete Arbeitsgruppe eine vollzugsspezifische Fortbildung, in der insbesondere neue Seelsorger mit den Besonderheiten des Vollzuges und den Besonderheiten der Seelsorge im Vollzug vertraut gemacht werden. Der Vollzug hat seinerseits Fortbildungsbedarf zu Besonderheiten muslimischer Seelsorge. Vereinbart worden ist insbesondere, dass jeder neu eingeführte muslimische Seelsorger, bzw. jeder Seelsorgehelfer eine mehrtägige Hospitationsphase in der jeweiligen Anstalt absolviert, in der sie tätig werden.
Die Qualifikation und Fortbildung der Seelsorger und Helfer soll durch die Religionsgemeinschaften eigenverantwortlich erfolgen. Prof. Dr. Rauf Ceylan vom Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück (IIT) bestätigte zudem gegenüber Medien, dass sein Institut einen Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt Seelsorge ab 2015 anbieten wolle. Hintergrund ist auch die Befürchtung, dass sich Muslime hinter Gittern radikalisieren könnten. Die Präventionsarbeit soll auch hier gestärkt werden.
In verschiedenen Bundesländern wird die Gefängnis-Seelsorge für Muslime angstrebt. In Berlin war kürzlich ein Anlauf für eine Seelsorge gescheitert. Niedersachsen gilt mit seinem Modell als bundesweiter Vorreiter. Allerdings fehlt es auch hier an hauptamtlichen Seelsorgern und auch an einer Anerkennung von muslimischen Religionsgemeinschaften. Hier hoffen die Religionsgemeinschaften auf den Staatsvertrag, über den derzeit die Landesregierung mit den Muslimen verhandelt.