Der NRW-Flüchtlingsgipfel ist nach Ansicht der Teilnehmer erfolgreich verlaufen. Hilfen für Flüchtlinge und Asylsuchende werden aufgestockt. Außerdem soll ein dezentrales Beschwerdemanagement aufgebaut werden. Ein Bericht von Johannes Nitschmann (KNA).
Der von der nordrhein-westfälischen Landesregierung einberufene „Flüchtlingsgipfel“ hat sich auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Betreuung von Asylbewerbern in den Unterkünften an Rhein und Ruhr verständigt. Nach dem dreistündigen Treffen kündigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Montagabend in Essen an, das Land werde zusätzlich 46,5 Millionen Euro in die Flüchtlingsarbeit investieren. Für die Kommunen soll die Flüchtlingspauschale künftig pro Kopf um 25 Prozent erhöht werden. Dazu würden die Landesmittel für die Kommunen von derzeit 143 Millionen Euro um 40 Millionen Euro aufgestockt, sagte Kraft.
Ebenso wolle das Land 3,5 Millionen Euro speziell für die psychologische und soziale Betreuung von Flüchtlingen ausgeben. Zudem werde ein Härtefonds von drei Millionen Euro für die Behandlung schwer kranker Asylbewerber aufgelegt. Bisher mussten diese Kosten alleine die Kommunen tragen.
Statt einen Ombudsmann für Asylbewerber zu berufen, setzte sich Regierungschefin Kraft in der Runde mit ihrem Vorschlag durch, in allen 20 Flüchtlingsunterkünften des Landes ein „dezentrales Beschwerdemanagement“ einzurichten. In die zehnköpfige Task-Force der Landesregierung zur Überprüfung der Betreuungsstandards sollen zusätzlich zwei bis drei Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen berufen werden. Zudem verständigten sich die Teilnehmer des Flüchtlingsgipfels darauf, die Integration von Asylbewerbern in Schule und Beruf deutlich zu verbessern. Mit dem Sprachunterricht sollen demnächst auch ehrenamtliche Organisationen betraut werden.
Kraft lobte die „sehr sachliche und konstruktive“ Gesprächsatmosphäre. „Parteipolitische Scharmützel“ seien zurückgestellt worden. Der Beauftragte der Evangelischen Kirche in NRW, Thomas Weckelmann, sprach von „einem Paradigmenwechsel“. Endlich werde die Flüchtlingspolitik „aus Sicht der Asylbewerber“ gemacht und gedacht. Auch CDU-Oppositionsführer Armin Laschet begrüßte das zielführende Gesprächsklima. Die CDU habe eine Reihe ihrer Verbesserungsvorschläge durchsetzen können. Als Beispiel nannte er die Einbindung muslimischer Organisationen in die Flüchtlingsbetreuung.
Die Landesregierung hatte etwa 40 Vertreter von Flüchtlings- und Hilfsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und Kommunen nach Essen zu dem Flüchtlingsgipfel eingeladen, um nach Lösungen für eine verbesserte Betreuungsqualität zu suchen. Neben Kraft waren von der Landesregierung Schulministerin Sylvia Löhrmann, Gesundheitsministerin Barbara Steffens (beide Grüne), Innenminister Ralf Jäger, Sozialminister Guntram Schneider und Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute (alle SPD) anwesend. Zudem nahmen auch die Vorsitzenden der fünf Landtagsfraktionen an dem Treffen teil.
Im Vorfeld des Gipfels hatte Oppositionsführer Laschet die Schaffung eines «Heim-TÜV» und die Einrichtung einer Ombudsstelle für Asylbewerber in der Staatskanzlei gefordert. Flüchtlingspolitik müsse «Chefsache» von Ministerpräsidentin Kraft werden, sagte Laschet. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hatte der Landesregierung angeboten, kirchliche Immobilien für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen.
In den 21 Flüchtlingsunterkünften des Landes stehen 6.700 Plätze zur Verfügung, die laut Regierung derzeit mit 7.500 Asylsuchenden erheblich überbelegt sind. Allein in diesem Jahr rechnet NRW mit der Zuweisung von 40.000 Flüchtlingen, viermal so viel wie vor drei Jahren. Innerhalb nur eines Monats hat das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF) Mitte September seine Prognosen für die Aufnahme von Asylbewerbern um 50 Prozent erhöht.
Bundesweit wird allein im Oktober mit 25.000 Erstantragstellern gerechnet. Dies würde für NRW die Zuweisung weiterer 5.300 Flüchtlinge bedeuten. In den Unterkünften war es zuletzt zu einer Serie gewalttätiger Übergriffe von Wachleuten auf Flüchtlinge gekommen. Laut Landeskriminalamt (LKA) wurden 48 Strafermittlungsverfahren gegen Beschäftigte privater Sicherheitsfirmen wegen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung eingeleitet. (KNA)