Der Islam ist ein Teil Deutschlands. Auch für diese Worte zeichnete die Evangelische Akademie Tutzing den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff mit dem „Toleranz-Preis“ aus. Bei der Preisverleihung bekräftigte der Altbundespräsident, man müsse anerkennen, dass der Islam ein Teil Europas sei.
Der frühere Bundespräsident Christian Wulff wurde heute mit dem undotierten „Toleranz-Preis“ der Evangelischen Akademie Tutzing ausgezeichnet. Der bereits zum zweiten Mal vergebene Preis in der Kategorie „Zivilcourage“ ging an Constanze Kurz, Sprecherin vom Chaos Computer Club und „FAZ“-Kolumnistin, als „unbequeme Mahnerin“ auf dem Gebiet des Datenschutzes.
Wulff zitierte bei der Preisverleihung Papst Franziskus, der zum Abschluss der Bischofssynode vor der Versuchung eines zerstörerischen Gutmenschentums warnte, gleichzeitig aber auch vor der Gefahr einer feindseligen Erstarrung. Der Preisträger stellte die Frage, ob der Mittelweg, den Franziskus im Bezug auf Familie und Ehe forderte, nicht auch ganz grundsätzlich zu sehen sei. Er wünsche sich mehr Toleranz, vor allem im Miteinander der Religionen, erklärte Wulff.
Es sei wichtig, anzuerkennen, dass der Islam heute Teil Europas sei, so der ehemalige Bundespräsident. Zwar sei die Sorge vor islamistischen Terrororganisationen berechtigt, dennoch dürfe man nicht vergessen, das diese nichts mit Millionen friedlicher Muslime zu tun hätten.
Die Schriftstellerin und Journalistin Hilal Sezgin würdigte in ihrer Laudatio nicht nur Wulffs Satz „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“, sondern sein Eintreten für die offene Gesellschaft: „Er hat wirklich den Nerv getroffen.“ Gerade junge Migranten litten unter einem Anerkennungsdefizit. Zwar nicht für bestimmte Leistungen, sondern „Anerkennung als Person mit verbrieften Rechten und auch dem Recht, ‚anders‘ zu sein“.
Die Muslima bekannte, dass sie wie viele andere Muslime an den Taten der IS-Mörder verzweifle. Vor allem junge Menschen, die sich noch nicht intensiv mit dem Islam befasst hätten, seien auch in Deutschland anfällig für das Werben der Radikalen. Die Religion dürfe jedoch nicht für die Taten verantwortlich gemacht werden, so Sezgin. Es sei irreführend, sie zu der einen Identität einer Person zu machen. „Eher lässt uns die Angst, zu anderen Gemeinschaften nicht dazuzugehören, immer verzweifelter und ausschließlicher nach der Religion als einziger Identität greifen.“
Es sei nicht der Koran, der zu den Grausamkeiten aufrufe oder sie gar fordere, „aber wir müssen wohl leider zur Kenntnis nehmen, dass auch der Koran, ebenso wie alle Texte und Worte und überhaupt alles Gute, nicht davor gefeit ist, zum Schlechtesten herangezogen zu werden“. Deshalb stünde für sie nicht so sehr der Glaube an eine Religion oder eine Offenbarung zur Debatte, so die Schriftstellerin. „Bei mir schwankt eher der Glaube an die Menschheit.“
Die Evangelische Akademie Tutzing zeichnet seit 2000 alle zwei Jahre mit dem Preis Personen aus, die sich für die Verständigung zwischen Menschen, Nationen, Religionen und Kulturen einsetzen. Unter den bisherigen Trägern sind der frühere Bundespräsident Roman Herzog, der Dirigent Daniel Barenboim, der Schriftsteller Henning Mankell, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Sänger Peter Maffay. (KNA)