Ist der Strafrechts-Paragraf zum Schutz religiöser Überzeugungen vor Beschimpfungen überflüssig? Ja, sagt Grünen-Chef Cem Özdemir und sieht den Volksverhetzungsparagrafen als völlig ausreichend an. Auslöser ist ein Streit um islamfeindliche Äußerungen eines Kabarettisten.
In der Diskussion um Muslime und Islam diskriminierende Äußerungen des Kabarettisten Dieter Nuhr sieht Grünen-Chef Cem Özdemir rechtlichen Klärungsbedarf. „Die aktuelle Debatte ist ein guter Anlass zu fragen, inwiefern der sogenannte Gotteslästerungsparagraf tatsächlich hilfreich und notwendig ist“, schreibt Özdemir in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung Die Welt (Mittwoch).
Der Politiker bezieht sich darin auf eine Anzeige, die ein Muslim gegen Nuhr gestellt hatte, weil er sich durch dessen Ausführungen in seinen religiösen Gefühlen verletzt sah. „Es ist das gute Recht eines Gläubigen, sich zu entrüsten, wenn seine Religion durch den Kakao gezogen wird“, schreibt Özdemir. „Aber die Verletzung religiöser Gefühle allein darf keine Grundlage für ein Verfahren sein.“
Der Gotteslästerungs- oder Blasphemie-Paragraf im Strafgesetzbuch (StGB) soll dem Schutz religiöser Überzeugungen vor Beschimpfung dienen. Seit der Strafrechtsreform von 1969 ist der Paragraf 166 StGB jedoch eingeschränkt. Bis dahin war die „Beschimpfung religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse“ das Kriterium. Seitdem ist die Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses nur strafbar, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Dadurch jedoch, argumentiert Özdemir, würden letzten Endes Querulanten „belohnt“, denen man zutraue, „als Reaktion auf eine religionskritische Äußerung den öffentlichen Frieden eben tatsächlich zu stören“. Es spreche vieles dafür, dass der Volksverhetzungsparagraf „völlig ausreichend“ sei.
Der Paragraf 130 StGB sieht Strafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren für diejenigen vor, die den öffentlichen Frieden stören, indem sie zu Hass und Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen aufrufen oder deren Menschenwürde durch Beschimpfungen oder Verleumdungen angreifen.
Gotteslästerung gilt in Deutschland seit 1871 als Straftatbestand. Paragraf 166 des Strafgesetzbuchs regelt den Schutz religiöser Überzeugungen von Beschimpfung. Seit der Strafrechtsreform von 1969 ist das strafrechtliche Schutzgut jedoch der öffentliche Friede und nicht mehr das religiöse oder weltanschauliche Empfinden.
Während beide Kirchen und Vertreter der Union in den vergangenen Jahren immer wieder einen besseren Schutz religiöser Überzeugungen angemahnt haben, lehnen Vertreter von FDP, SPD und Grünen eine Verschärfung mit Hinweis auf die Meinungs- und Kunstfreiheit ab.
Befürworter einer Verschärfung verweisen darauf, dass der Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens in der gegenwärtigen Rechtsprechung kaum noch greift. (KNA/iQ)