Ist ein Interview des scheidenden Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein Affront gegen die Muslime in Deutschland? Nein, sagt der KRM-Sprecher Erol Pürlü und macht darauf aufmerksam, dass Schneider die Bemühungen der Muslime begrüße.
Der aktuelle Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), Erol Pürlü, erklärte, er könne dem Interview des Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, mit der Tageszeitung Die Welt keine scharfe Kritik oder Enttäuschung entnehmen. „Im Gegenteil er begrüßt die Bemühungen der Muslime“, sagte Pürlü in einer heute veröffentlichten Mitteilung. Der KRM-Sprecher erinnerte zudem an das bundesweite Aktionsbündnis der Muslime vom 19. September „Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht“, an der Spitzenvertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft, unter anderem auch Präses Schneider, teilgenommen haben.
„Er hat dort die Klarheit, mit der die islamischen Religionsgemeinschaften und Muslime jede Form von Hass, Gewalt und Unrecht verurteilt haben, deutlich gewürdigt und für den Beitrag der Muslime für ein friedvolles Miteinander gedankt. Beim Spitzentreffen des EKD und des KRM wurde vor allem das Thema Gewalt ausgiebig diskutiert und die Instrumentalisierung der Religion, was ja allen Religionen gemein ist, verurteilt“, erklärte Pürlü. In einer so schwierigen Phase stünden die Religionsgemeinschaften vor der gemeinsamen Verantwortung die Deutungshoheit nicht den Radikalen zu überlassen und ihrer gemeinsamen Verantwortung für das friedliche Miteinander gerecht zu werden.
Nach Ansicht des scheidenden Ratsvorsitzenden der EKD müssten sich die großen islamischen Religionsgemeinschaften noch intensiver mit dem Thema Gewalt im Koran auseinandersetzen. Er begrüße die Stellungnahmen der Religionsgemeinschaften etwa gegen Judenhass, betonte Schneider im Interview mit der Tageszeitung Die Welt (Donnerstag). Was allerdings von offizieller Seite an kritischen Äußerungen zu Legitimierung von Gewalt im Koran und in der islamischen Tradition komme, sei ihm „zu wenig“, so der EKD-Ratschef mit Blick etwa auf Anhänger extremistischer Gruppierungen wie der Terrororganisation IS.
Grundsätzlich gehe er davon aus, dass sich die Religionsgemeinschaften und deren Vertreter vorbehaltlos für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen einsetzten und nichts mit dem IS zu tun hätten. „Wir müssen aber nüchtern feststellen, dass sich der IS auf den Islam beruft. Darüber haben wir zu debattieren.“ Im Unterschied zu evangelischen oder katholischen Theologen hätten muslimische Gelehrte jedoch möglicherweise größere Schwierigkeiten, eine friedlichere Lesart ihrer Religion durchzusetzen, räumte Schneider ein.
Zur Begründung verwies der EKD-Ratsvorsitzende auf die Entstehungsgeschichte der beiden Religionen. „Das Christentum hatte vor Kaiser Konstantin zunächst 300 Jahre der Verfolgung erlebt, ehe es in Machtpositionen kam, in denen Christen und ihre Kirchen selbst zu grausamen Verfolgern wurden.“ Der Islam habe sich dagegen direkt „mit Feuer und Schwert“ auf kriegerische Weise ausgebreitet. „Das hat offensichtlich Ansatzpunkte im Koran – wie ja auch die Bibel für Begründungen von Gewaltanwendungen nicht ganz frei ist“, so Schneider. „Darauf können heute jene zurückgreifen, die den Glauben für ihr Gewaltregime missbrauchen wollen.“
Schneider wird am Dienstag bei der EKD-Synode in Dresden sein Amt niederlegen, um sich seiner krebskranken Frau Anne widmen zu können. (KNA/iQ)