Bundespräsident Joachim Gauck hat heute die 65 ersten Stipendiaten des Avicenna-Studienwerks empfangen. Der Bundespräsident appellierte an die Studierenden „kritisch und offen“ zu bleiben.
Bundespräsident Joachim Gauck hat den ersten Stipendiaten-Jahrgang des muslimischen Studienwerks Avicenna empfangen. Er sei froh, dass es „endlich“ eine solche Förderung muslimischer Studierender in Deutschland gebe, sagte Gauck am Dienstag in Bonn. Damit werde eine „Lücke im System der Begabtenförderung“ geschlossen.
Über lange Jahre habe man sich eingeredet, Deutschland sei kein Einwanderungsland, und die Menschen, die nach Deutschland kämen, würden nur vorübergehend bleiben. „Heute wächst die Erkenntnis, dass das falsch war“, betonte der Bundespräsident. Er appellierte an die 65 Studierenden, kritisch und offen zu bleiben und den Gedanken des Austauschs weiterzutragen. Der Namensgeber des Werks, der persische Gelehrte Ibn Sina, habe einen wegweisenden Beitrag zum Dialog zwischen Orient und Okzident geleistet, so Gauck.
Der Vorsitzende des Avicenna-Studienwerks, Bülent Uçar, dankte dem Staatsoberhaupt für den Empfang. Die neuen Stipendiaten stammen nach Angaben des Studienwerks aus dem ganzen Bundesgebiet und aus allen Fachrichtungen, zwei Drittel sind demnach Frauen. „Die Pluralität der muslimischen Gemeinschaften in Deutschland lässt sich hier erkennen“, betonte Uçar.
Auch der Rat für Migration begrüßte die „neue Vielfalt der deutschen Studienwerke“ in Berlin. Man hoffe, dass das Werk zu mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem beitragen werde, hieß es. Der erste Jahrgang war am Montag in Berlin offiziell durch das Begabtenförderungswerk aufgenommen worden.
Muslimische Studierende an deutschen Hochschulen können vom Wintersemester 2014/15 an mit einem einkommensabhängigen Grundstipendium von bis zu 670 Euro im Monat und einer zusätzlichen Studienkostenpauschale von 300 Euro gefördert werden. Promovierende erhalten pro Monat bis zu 1.150 Euro. Neben überdurchschnittlichen Leistungen zählt bei der Bewerbung auch gesellschaftliches Engagement. Bis 2018 fördert das Bundesbildungsministerium nach den Angaben das Avicenna-Studienwerk mit etwa 10 Millionen Euro. Darüber hinaus unterstützt die Stiftung Mercator das Werk in der Aufbauphase mit einer Million Euro.
Das muslimische Studienwerk ist das jüngste der dreizehn staatlich geförderten Begabtenförderungswerke in Deutschland. Mit dem muslimischen Avicenna-Studienwerk ist neben dem katholischen Cusanuswerk, dem jüdischen Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk und dem Evangelischen Studienwerk Villigst eine weitere große Weltreligion bei den Begabtenförderungswerken präsent. Insgesamt wurden 2013 etwa 25.900 Studierende und 4.400 Promovierende durch ein Begabtenförderungswerk in ihrer Ausbildung oder wissenschaftlichen Tätigkeit unterstützt. (KNA)