Die CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf hat Vertreter der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in ihrem Hagener Büro empfangen. Der Besuch sorgte für Empörung und Proteste innerhalb der Partei. Jetzt hat ein Vorstandsmitglied der Ortsunion seinen Austritt erklärt.
Mit wem dürfen Politiker einen Dialog führen, und mit wem nicht? Diese Frage stellt sich immer wieder im Alltag und sorgt für kontroverse Debatten. Jüngstes Opfer einer solchen Debatte ist die Hagener CDU-Bundestagsabgeordnete und Islambeauftragte der Unionsfraktion, Cemile Giousouf. Sie empfing einen Besuch von Mitgliedern der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in ihrem Hagener Büro.
Der Anlass für die Gespräche: Es gab mehrere Brandanschläge auf Moscheen der IGMG. Die Bürger und Mitbürger der Delegation wollten nach eigener Darstellung auch mit ihrer politischen Vertretung in Berlin über das Thema sprechen. Giousouf nahm an und steht jetzt im Fokus von Angriffen durch CDU-Parteikollegen und einen mittlerweile ehemaligen CDU-Ortspolitiker.
Martin Reinhardt, bisheriges Mitglied im Vorstand der Ortsunion Altenhagen übte scharfe Kritik am Besuch der IGMG-Mitglieder und trat aus der Partei aus. „Mit Organisationen, die im Ruf stehen, antisemitisch und antidemokratisch zu sein, darf sich die CDU nicht umgeben“, so Reinhardt auf seiner Facebook Seite. Seinen plötzlichen Parteiaustritt begründet Reinhardt, damit, dass es angeblich keine Diskussionskultur in der Partei gebe. „Ich werde als Unruhestifter abgestempelt. Ich habe resigniert.“
Tatsächlich ist Reinhardt innerhalb der Ortsunion jedoch kein Unbekannter. Cemile Giousouf hat zur Bundestagswahl den Vater von Reinhardt als Spitzenkandidaten der CDU abgelöst. Seitdem soll es innerhalb der Ortsunion immer wieder gekracht haben. Nichts ungewöhnliches. Dennoch widerspricht Reinhardt der Darstellung, er hege Groll gegen Giousouf wegen der Ablösung seines Vaters.
Cemile Giousouf weist die Vorwürfe hingegen entschieden zurück und stellt ebenfalls in einem Statement bei Facebook klar, sie pflege in ihrer politischen Arbeit intensiv den Dialog mit allen Religionsgemeinschaften und setze sich dabei kategorisch gegen jegliche Form von Rassismus ein, egal ob es sich um Antisemitismus oder Islamfeindlichkeit handele. „Sie wissen, dass ich gegen Antisemitismus auf die Straße gehe, mich sowohl in Berlin, in meinem Wahlkreis und in NRW mit den jüdischen Gemeinden austausche und überall den Kontakt im interreligiösen Dialog suche und aufbaue. Dafür haben Sie mich erst kürzlich noch gelobt. So wie ich davor Synagogen, koptische Kirchen und andere Gotteshäuser besucht habe, die Ziel eines Anschlages waren, hat sich diese Gruppe an mich gewandt um über zwei Anschläge auf Moscheen mit mir zu sprechen“, so Giousouf.
Außerdem verweist die Politikerin auf die Notwendigkeit sich mit Opfern von Anschlägen, wie in diesem Falle mit Vertretern der IGMG, auszutauschen. „Wenn Gesprächsanfragen von Opfern von Anschlägen kommen, ablehnen? Mir jetzt eine geheime Agenda zu unterstellen, kann das mit meiner Zuwanderungsgeschichte zusammenhängen?“, fragt Giousouf und macht auch auf andere Politiker aufmerksam, die nach Moscheebränden Ortsgemeinden der IGMG und Betroffene besucht haben.
„Die Bielefelder Moschee, die zweimal hintereinander Opfer eines Anschlags wurde, wurde vom Integrationsbeauftragten der Landesregierung, Thorsten Klute, Superintendentin Regine Burg, dem Kirchenrat Gerhard Duncker und anderen deutschen Politikern besucht. Zu der Mevlana Moschee in Berlin, die ebenfalls kürzlich Ziel eines Anschlages war und der Milli Görüs nahe steht, sind Vizekanzler Gabriel und fast alle Parteivorsitzenden hingegangen, um ihre Solidarität zu bekunden. Ich hoffe doch sehr, dass Sie denen nicht allen ebenfalls Antisemitismus oder eine geheime Agenda unterstellen, oder?“, schreibt Giousouf weiter.
Tatsächlich zeigt sich an diesem Streit, um den Besuch, ein grundsätzliches Problem der Haltung. Innerhalb der Union gilt die IGMG weiterhin mehrheitlich als nicht kompatibel mit politischen Interessen. Bei anderen Parteien sieht es wiederum ganz anders aus. So sind nach Informationen unserer Redaktion verschiedene Politiker quasi Stammgäste bei Veranstaltungen der IGMG und ihr nahe stehenden Organisation. Nur die CDU scheint sich in der Öffnung gegenüber der IGMG weiterhin an manchen Stellen zu sträuben.
Dabei zeigen die Entwicklungen gerade in diesem Jahr, dass sich die Einschätzungen zur IGMG durch Behörden und Sicherheitsorgane wie den Verfassungsschutz grundsätzlich ändern. Hamburg und Bremen haben beispielsweise die Beobachtung der IGMG durch den Verfassungsschutz gänzlich eingestellt. Hier wird an vielen Stellen sogar mittlerweile zusammengearbeitet. Weitere Bundesländern planen zumindest die Einstellung der Beobachtung und selbst dort wo dies noch nicht geplant ist, wird auf einen Wandel der Organisation durchaus lobend hingewiesen.
Angesichts solcher Entwicklungen stellt sich die Frage, ob nicht auch die gesamte CDU sich einem konstruktiven Dialog öffnen sollte. Innenminister Thomas de Maizière (ebenfalls CDU) sieht jedenfalls keinen Hinderungsgrund mehr auch mit der IGMG, der ja bekanntlich im Islamrat vertreten ist, in der Deutschen Islam Konferenz (DIK) einen Dialog zu führen.(ms/as)