Wie ist der große Erfolg der Pegida-Bewegung zu erklären? Auf welche gesellschaftlichen Hintergründe ist sie zurück zuführen? Wie hängt der gesellschaftliche und mediale Diskurs über den Islam mit der zunehmenden Islamophobie zusammen? Diesen Fragen widmet sich der Politikwissenschaftler Dr. Farid Hafez in diesem Artikel.
Betrachtet man die Geschehnisse der letzten Monate, so schein es, als wäre 9/11 für die MuslimInnen noch ein Zuckerschlecken gewesen. Das Bild des Schläfers verdächtigte den im Geheimen versteckt agierenden Terroristen. Mit dem Diskurs über den Milizstaat ‚Islamischer Staat‘ (IS) ist eine neue Welle geschlagen worden. Das Bild des bösartigen Muslims ist nicht mehr bloß jenes des sich mithilfe der taqiyya („Verstellung“, Anm. d. Red.) versteckenden Terroristen.Bereits der Diskurs über den Salafismus machte es möglich, den ‚bösen Muslim‘ mithilfe markanter Symbole ausfindig zu machen. Der Bart, die Kleidung und vieles mehr ermöglichten mithilfe massenmedialer Verbreitung jedem Einzelnen, Anzeichen für eine mögliche dschihadistische Gesinnung ausfindig zu machen. Staatliche Restriktionen wie das Verbot der Symbolik des IS sind hier nur ein Nebenschauplatz.
Einen tatsächlichen Paradigmenwechsel bildet der öffentliche Diskurs, der den IS zum Dauerthema gemacht hat, den Dschihadisten zum Feind im Inneren auserkoren hat und die gesamte muslimische Jugend zum potentiellen Opfer der Verführer. Ein solcher Diskurs baute auf eine bereits hegemoniale islamophobe Stimmung, die von Personen wie einem Henryk Broder bis hin zu einem Thilo Sarrazin ermöglicht wurde. Dass die Parteien im deutschen Bundestag eine solche Islamophobie nicht mehr bloß mit selektiven Restriktionen ein einfangen können, war nur eine Frage der Zeit.
Wie Stefan Zweig einst sagte: „Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug“. Eine Frage der Zeit war damit auch, wie lange es noch dauern würde, bis ein islamophobes Programm zur Grundlage einer breiten Bewegung werden würde. Ja, es gibt die Pro-Parteien und auch im rechtsextremen Spektrum hat eine NPD sich in den letzten Jahren der Islamophobie bedient. Da man in Deutschland aber nicht offen rechtsextrem und revisionistisch sein konnte, war es schwer, dass diese Akteure mit der Islamophobie einen Riesenerfolg erzielen würden.
Manche Beobachter in Deutschland blicken mit etwas Verachtung auf die rechtspopulistische österreichische Partei, die lautstark und in aller Deutlichkeit mit Slogans wie ‚Daham statt Islam‘ skandiert und wiegt sich in Sicherheit, dass in einem post-nationalsozialistischen Deutschland die Geschichte sich nicht wiederholen würde. Aber vermutlich ist genau der Umstand, dass die Islamophobie in Deutschland in erster Linie nicht im rechtsextremen oder rechtspopulistischen Spektrum begann, sondern eben in der Dominanzgesellschaft, ein Hinweis auf diese Blindheit gegenüber einem anti-muslimischen Rassismus, der im Bereich der Sicherheitspolitik wie auch in Gesetzgebungen etwa im Bereich der Bildung institutionalisiert wurde.
Eine Reihe an Studien im Jahr 2014 verdeutlichte die Verbreitung islamophober Ideologeme. Daran sind nicht die NPD oder die Pro-Parteien schuld. Das ist das Ergebnis eines hegemonialen Diskurses, der von AkteurInnen der Dominanzgesellschaft verbreitet wird.
Umso verwunderlicher ist es, dass das politische Establishment sich überrascht gibt. Was sonst sollte das Ergebnis einer jahrelangen islamophoben Stimmungsmache, einhergehend mit restriktiver Islampolitik, die meist Sicherheitspolitik und legalistischer Diskriminierung am Ende ergeben?
Ja, es ist sehr begrüßenswert, wenn Kanzlerin Angela Merkel sich klar und deutlich in ihrer Neujahrsrede gegen Pegida ausspricht. Eine glaubwürdige Auseinandersetzung – nicht nur gegenüber dem Ausland, um das internationale Ansehen Deutschlands zu schützen – fordert aber auch eine kritische Aufarbeitung anti-muslimischer Gesetzgebungen wie dem Kopftuchverbot, der islamophoben Sicherheitspolitik der Innenministerien und generell einer Reformation der Islampolitik.