Es ist nicht das erste und auch nicht das letzte mal, dass der Prophet Muhammad beleidigt, verspottet und karikiert wird. Schon zu Lebzeiten wurde er angegriffen und musste um sein Leben fürchten. Doch wie hat er reagiert? Dazu ein Beitrag von Dr. Ali Özgür Özdil.
Verdient ein Mensch wirklich den Tod, selbst wenn er sich über Gott, den Propheten, den Koran lustig macht, etwa durch Satire? Mir ist weder ein eindeutiger noch ein mehrdeutiger Koranvers dazu bekannt. Was haben die ersten Muslime in den ersten 12 Jahren in Mekka nicht alles an Spott, Folter, Boykott, Mord und Vertreibung ertragen müssen?
Dass sich irgendwelche Leute über den Islam lustig machen, ist nichts Neues. Der Prophet wurde bereits von seinen Zeitgenossen als Dichter verspottet oder als Besessener beschimpft. Es gibt Überlieferungen, wo der Prophet direkt beleidigt wurde: Abû Dschahl sagte zum Propheten: „O Muhammad, ich kenne in deiner Sippschaft niemanden, der hässlicher ist als du.“ Was war die Reaktion des Propheten? Er sagte: „Du hast Recht…“ Als ein Mann den Propheten beleidigte und der Prophet schwieg, schimpfte sogar seine Frau und sagte: „Warum hast du dir das gefallen lassen…?“ Was aber sagte der Prophet: „O Aischa! Hast du je ein schlimmes Wort aus meinem Mund gehört?“
Gerade an Tagen wie diesen, ist es notwendig, sich den Grundsätzen des Islams bewusst zu werden: Mord und Selbstmord gehören zu den größten Sünden (dazu gib es wiederum eindeutige Verse im Koran). Das Töten ist nur zur Selbstverteidigung oder in Notwehr erlaubt. Selbst im Kontext des Krieges gilt: Wer sich nicht an der Kampfhandlung beteiligt, ist zu verschonen (Beispiel: Zivilisten). Zu Selbstmord gilt: Niemand darf sich den Ort, den Zeitpunkt oder die Art seines Todes selbst aussuchen. Denn nur Gott schenkt und nimmt das Leben.
Abû Lahab (Onkel des Propheten) und dessen Frau Ummu Dschamîl gehörten zu den größten Gegnern des Propheten in Mekka (siehe Sira von Ibn Hischâm, Band 1, S. 287). Die Sure 108:3 deutet z. B. auf Abû Lahab (und dessen Frau hin), der den Propheten als „abtar“ (als jemanden, dessen Nachkommenschaft abgeschnitten sei) beschimpft, doch der Prophet sagt: „Lâ hawla wa la kuwwata illâ billâh“ (Es gibt keine Kraft und Macht, außer bei Allah) und wendet sich von ihm ab.
Zu den Anfeindungen Abû Lahabs gehören neben Spott auch, Steine gegen das Haus des Propheten zu werfen, Müll vor dessen Tür zu legen und die Anstachelung seines Sohnes gegen den Propheten (unter anderem spuckte dieser den Propheten an). Seine Frau war sogar mit einem Stein zur Kaaba losgezogen, um den Propheten zu verletzen, weil die Sure 111 geoffenbart wurde. Dies teilte sie Abû Bakr mit (s. Ibn Hischâm, S. 381-382; Kadi Iyâz, asch-Schifâ, Band 1, S. 684).
Auch Abû Dschahl, ebenfalls ein großer Feind des Propheten, hatte gedroht: „Ich schwöre, ich werde ihm den Kopf mit einem Stein zerschmettern, wenn ich ihm beim Niederwurf (Sadschda) sehe“ (überliefert bei Ibn Hischâm und Kadi Iyâz).
Natürlich hat es auch Fälle gegeben, wo sich die Sahâba (Prophetengefährten) gewehrt haben. Z. B. hatte Abû Bakr, weil einige Götzendiener den Propheten beleidigt hatten, ihn (verbal) verteidigt und wurde daraufhin bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen. Als er erwachte, sagte er: „Sie haben den Propheten beleidigt.“ Oder Hamza, einer der Onkel des Propheten, schlug Abû Dschahl mit seinem Bogen, weil dieser den Propheten angegriffen und verletzt hatte.
Noch einmal zum Merken: Der Koran enthält keine Aufforderung zur Tötung von Menschen, die den Propheten beleidigen, obwohl der Propheten in seinem Leben unzählige Male Beleidigungen erfahren hatte. Das müsste in diesem Falle als sichere Quelle genügen, um sich als Muslim zu positionieren. Wer jedoch auf Überlieferungen zurückgreift, um die Tötung von Menschen dennoch zu legitimieren, sollte auch darauf hinweisen, ob es sich – wie auch in der Koranexegese – um spezifische oder allgemeine Überlieferungen handelt, bzw. ob sich die zitierte Aussage auf den Kontext eines Krieges gegen die Mekkaner einordnen lässt oder ob Frieden herrschte. Wer dies nicht eindeutig beantworten kann, kann auch keine letztgültige Aussage über eine Aussage des Propheten fällen.
Jeder Mord ist ein Brudermord. Das gilt nicht nur für Kain und Abel, wo der erste Brudermord stattfand oder für die Nachkommen Abrahams (Araber und Juden). Die Täter von Paris haben – wie alle anderen Täter auch, die in der Vergangenheit das Bild unseres schönen Glaubens verfälscht haben – auch uns Muslime zu Opfern gemacht.
Wieder einmal sitzen wir auf der Anklagebank und wieder verlangt man von uns, uns zu distanzieren. Ja, wir distanzieren uns von den Tätern. Aber nicht nur von den Tätern, sondern auch den Tätern, dessen Opfer diese Täter sind: Von verfehlter Politik, von ausbeuterischer Wirtschaft, Hetzmedien, von rassistischen Arbeitgebern, Wohnungseigentümern, Passanten, Eltern, Lehrern und Hasspredigern, aber auch von jenen, die wegschauen und vor allem von jenen, die von alledem irgendwie wirtschaftlich, politisch oder medial ihren Profit schlagen
Je mehr wir erfahren, was so alles auf unserer Welt passiert, umso größer ist doch unser Schmerz. Es sei denn, wir gehören zu den Ignoranten. Dass allerdings ist definitiv nicht die Eigenschaft eines Gläubigen.