Heiko Maas

„Dialog der Kulturen ist stärker, als Hass der Terroristen“

Im Interview mit dem Bundesminister der Justiz und Verbraucherschutz, Heiko Maas, sprechen wir über die Auswirkungen von Terrorismus und Pegida auf die negative Wahrnehmung des Islams. Zudem geht es um die Frage, wie man auf zunehmende islamfeindliche Ressentiments reagieren kann.

08
02
2015
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IslamiQ: Nach dem Attentat in Paris haben Sie betont, dass man keinen Kampf der Kulturen zulassen darf. Anschließend haben Sie eine Moschee in Berlin besucht. Welche Reaktionen haben daraufhin bekommen? Gab es den sog. Shitstorm?

Maas: Gerade nach den schrecklichen Verbrechen in Paris war es mir wichtig, das Gespräch mit Vertretern des Islams zu suchen. Der gemeinsame Dialog der Kulturen wird immer stärker sein, als der Hass der Terroristen. Wir dürfen uns von Mördern nicht die Art und Weise, wie wir in dieser Gesellschaft leben, zerstören lassen. Die Reaktionen auf den Moscheebesuch waren überwiegend positiv. Zwar gab es auch ein paar vereinzelte persönliche Angriffe, aber damit muss man in den sozialen Netzwerken heute leider immer rechnen. Einen veritablen „shit-storm“ gab es zum Glück nicht.

IslamiQ: Studien zufolge nimmt jeder Zweite in Deutschland den Islam als Bedrohung war. Medienexperten sind sich einig, dass die immer wiederkehrende Nennung des Islams im Kontext des Terrors mitverantwortlich ist, für diese diffuse Angst. Sicherheitspolitische Begriffe wie „islamistisch“ wirken pauschalisierend und kontraproduktiv. Wie kann die Politik den Kampf gegen den Terror führen, ohne die Angst der Bevölkerung vor dem Islam zu beflügeln.

Maas: Wenn über den Islam zu oft nur im Zusammenhang mit Terrorismus berichtet wird, dann entsteht in der Öffentlichkeit ein schiefes Bild. Das dürfen wir nicht so stehen lassen. Wir müssen klar machen: Terroristen missbrauchen den Islam nur als einen Deckmantel. Und deshalb ist es wichtig, dass wir uns gemeinsam aktiv dafür einsetzen und dokumentieren: Wir leben hier alle friedlich zusammen und wollen es nicht zu einem Kampf der Kulturen kommen lassen. Denn genau das wollen die Terroristen. Das ist aber nicht das, was die Menschen wollen, völlig unabhängig davon, an welchen Gott sie glauben oder ob sie überhaupt an Gott glauben.

IslamiQ: In Frankreich fiel uns auf, dass Sicherheitsbehörden die Täter in ihren offiziellen Stellungnahmen als „französische Terroristen“ bezeichneten und nicht auf Begriffe wie „islamistisch“ zurückgriffen. Der vermeintliche religiöse Hintergrund der Taten wurde mit keinem Wort erwähnt. Meinen Sie, dieses Verständnis könnte sich auch in Deutschland durchsetzen?

Maas: Unabhängig von der Wortwahl, ist doch klar: Muslime dürfen nicht unter terroristischen Generalverdacht gestellt werden. Wir müssen deutlich machen, dass die Extremisten unter den Muslimen eine winzige Minderheit sind. Und Extremisten gibt es leider überall. Der Gewalttaten von Paris waren auch ein Anschlag auf den Islam. Die überwiegende Mehrheit der Muslime verurteilt diesen Anschlag als Verrat am eigenen Glauben. Das haben sie in unmissverständlicher Deutlichkeit bei der Mahnwache am Brandenburger Tor klargestellt.

IslamiQ: Erstmals standen Muslime und die Spitze des Staates vor dem Brandenburger Tor gemeinsam gegen Gewalt und Terror ein. Der Bundespräsident hielt eine Rede, es wurde Einigkeit und Zusammenhalt demonstriert. Welche Signalwirkung geht von dieser bisher einmaligen Kundgebung aus?

Maas: Es war eindeutig ein Signal des Zusammenhalts. Wir haben gezeigt, dass wir eine Spaltung unserer Gesellschaft durch den Hass der Terroristen nicht zulassen werden. Die Muslime gehören zu Deutschland. Sie haben einen festen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft. Vor dem Brandenburger Tor haben sie gezeigt, dass sie den Aufstand der Anständigen anführen. Wenn wir gewaltbereite Extremisten isolieren wollen, müssen wir die überwältigende Mehrheit der Muslime stärken, die friedlich in Deutschland lebt.

IslamiQ: Auch nach dem Pariser Anschlag hat Pegida weiteren Zulauf bekommen. Einige Politiker zeigen Verständnis für die Demonstranten, andere möchten ihre Sorgen ernst nehmen, Sie jedoch lehnen jede Annäherung ab. Warum?

Maas: Wenn da gegen Flüchtlinge, die gerade alles verloren haben und hilfesuchend zu uns kommen, gehetzt wird, dann ist es unsere Verantwortung deutlich zu machen: Das ist nicht Deutschland. Die große Mehrheit hier denkt anders.

Trotzdem gilt die Meinungsfreiheit auch für Meinungen, die einem nicht gefallen. Und ich würde immer dafür eintreten, dass auch Meinungen, die ich als niederträchtig empfinde, geäußert werden dürfen. Allerdings werde ich diese Meinungen, wenn sie Hass und Intoleranz verbreiten, nach wie vor nicht widerspruchslos hinnehmen.

IslamiQ: Sie haben nach dem Pariser Anschlag Forderungen nach einer Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt, weil dieses Werkzeug in Frankreich Praxis ist und trotzdem nicht dazu geführt hat, dass der Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ werden konnte?

Maas: An der rechtlichen Ausgangslage hat sich seit dem Urteil des EuGH nichts geändert. Der EuGH hatte ja eine anlasslose Speicherung für unvereinbar mit den Grundrechten erklärt. Wir sind innerhalb der Regierung und mit unseren europäischen Partnern seit dem Urteil im Gespräch darüber, wie es mit diesem Thema weitergeht. Auch die EU-Kommission prüft wie sie mit der Rechtsunsicherheit nach dem EuGH Urteil umgeht. Herr de Maizière und ich haben eine sehr konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit, auch in anderen gar nicht so einfachen Themen. Und das werden wir hier auch so beibehalten. Aber das wird sicher noch eine Zeitlang in Anspruch nehmen.

IslamiQ: Werden Sie und Ihr Ministerium auf den Terror mit anderweitigen Gesetzesänderungen reagieren? Was erwartet uns da in den nächsten Wochen und Monaten?

Maas: Wir arbeiten seit Monaten daran, wie wir Deutschland noch sicherer machen können. Da ist die Änderung des Personalausweisgesetzes. Denjenigen, bei denen die Behörden Hinweise darauf haben, dass sie sich am Terror des IS beteiligen wollen, kann der Personalausweis entzogen werden. Darüber hinaus werden wir eine Veränderung des Strafgesetzbuchs im Kabinett vorlegen. Wir reagieren damit auf den Terror von ISIS und die so genannten Foreign Fighters, die wir zuvor in dieser Form nicht gekannt haben. Das wird unser Land sicherer machen. Wir sollten uns aber auch immer bewusst sein: absolute Sicherheit wird leider niemand versprechen können. Wir werden nicht bei jedem Anschlag immer neue Gesetzesverschärfungen machen können. Wir dürfen die Art und Weise, wie wir in einer freien Gesellschaft leben, auch nicht zugrunde richten. Das ist doch genau das, was die Terroristen wollen.