Islamischer Religionsunterricht

„Islamunterricht in Schule und Moschee ergänzen sich“

Islamunterricht in der Moschee gibt es in nahezu überall. Islamischer Religionsunterricht in der Schule soll möglichst überall in Deutschland angeboten werden. Worin sich die beiden Orte religiöser Erziehung unterscheiden und wo ihr Stärken und Schwächen liegen erklärt Burhan Kesici im Gespräch mit IslamiQ.

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02
2015
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IslamiQ: Islamunterricht, Islamischer Religionsunterricht, Islamkundeunterricht… Wieso gibt es so viele Bezeichnungen?

Kesici: Es gibt einen qualitativen Unterschied zwischen Islamischen Religionsunterricht (IRU) und Islamkunde. Der Islamische Religionsunterricht ist durch das Grundgesetz und durch die Landesverfassungen bestimmt und wird durch die Bundesländer jeweils in Kooperation mit den islamischen Religionsgemeinschaften als Pflichtfach angeboten. Der Unterricht wird von bekennenden Muslimen erteilt. Neben sachlichen Informationen können praktische Übungen stattfinden. Der Islamkundeunterricht hingegen ist ein informativer Unterricht und darf keine religiöse Praxis beinhalten. Im Grunde könnte der Islamkundeunterricht auch von Nichtmuslimen erteilt werden.

 

IslamiQ: Islamunterricht gibt es doch auch in der Moschee. Wieso sollte er auch an Schulen angeboten werden?

Kesici: Der Islamische Religionsunterricht in der Schule unterscheidet sich wesentlich von dem Unterricht in der Moschee. Er findet in deutscher Sprache statt und ist didaktisch und pädagogisch in den Bildungsauftrag der Schule eingebunden. Die Lehrkraft hat die Möglichkeit, die Schüler in ihrem „Alltag“ zu unterrichten und die Schüler begreifen den Unterricht als einen wesentlichen Bestandteil ihres Schulbetriebes und ihres Alltags.

Der Islamische Religionsunterricht in der Schule kann auf das Wissen der Schüler, die sie in der Moschee erlangt haben, aufbauen. Genauso können sie über das in der Moschee Erlernte in der Schule reflektieren.

Die IRU-Lehrkraft sollte die täglichen Bedürfnisse der Schüler aufgreifen und diese im Unterricht behandeln. Die Themen konzentrieren sich eher um Glaubensinhalte, Prophetengeschichten, das Zusammenleben und religiös-ethisches Handeln. Jedoch findet der IRU je nach Möglichkeit in einen Umfang von 45 bis 90 Minuten in der Woche statt. Deshalb können die Themen meist nicht intensiv genug behandelt werden.

Der Islamunterricht in der Moschee wird meist in der Herkunftssprache erteilt und beinhaltet auch den Koranunterricht, d. h. das Lesen des Korans im Original. Da der Unterricht in der Moschee zeitlich intensiver ist, können die Themen meist eingehender behandelt werden. Der Religionsunterricht in der Moschee vermittelt den Islam im kulturellen Kontext, so dass die Schüler sich in der Moschee heimisch verortet fühlen. Sie können aktiv am religiösen Leben in der Moschee teilnehmen. In der Schule nehmen Schüler aus sehr unterschiedlichen kulturellen Kreisen am IRU teil, sodass das Kulturelle nur bedingt behandelt werden kann.

Der Islamischen Religionsunterricht in der Schule und der Religionsunterricht in der Moschee ergänzen sich. Der Islamische Religionsunterricht in der Schule kann auf das Wissen der Schüler, die sie in der Moschee erlangt haben, aufbauen. Genauso können sie über das in der Moschee Erlernte in der Schule reflektieren.

 

IslamiQ: Was haben die Schüler davon, was die Eltern und was die Gesellschaft und Politik vom IRU?

Kesici: Der schulische Religionsunterricht kann gesellschaftliche Fragen aufgreifen und sie im Unterricht behandeln. Ich möchte mal ein Beispiel geben: Wir haben die Anschläge in Paris gehabt. Da ich auch Islamischen Religionsunterricht an Berliner Grundschulen unterrichte, habe ich das Thema im Unterricht thematisieren können. Die Schüler haben sich mit der Frage Islam und Gewalt auseinandergesetzt und haben dann erfahren, dass der Islam Gewalt ablehnt und dass die Taten nicht mit dem Islam legitimiert werden können. Dabei haben die Schüler und Schülerinnen sich mit verschiedenen religiösen Texten auseinandersetzen und miteinander diskutieren können.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der IRU an der Schule das Schulklima positiv verändern kann.

Die Schule bekommt mit, dass solche Themen auch im Islamischen Religionsunterricht behandelt werden. Andere Lehrkräfte thematisieren solche Themen ebenfalls und merken dann, dass die Schüler sich differenziert an das Thema herangehen. Diese Diskussionen werden auch in die Gesellschaft getragen, so dass damit Vorurteile abgebaut und Fehlinformationen korrigiert werden können. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der IRU an der Schule das Schulklima positiv verändern kann.

 

IslamiQ: Diskussionen um den Islamischen Religionsunterricht gibt es schon seit vielen Jahren. Wieso gibt es keinen Islamunterricht wie es ihn für katholische und evangelische Schülerinnen und Schüler gibt?

Kesici: In einigen Bundesländern gibt es schon den Islamischen Religionsunterricht, aber leider nicht flächendeckend. Der Religionsunterricht kann in Deutschland nur von Religionsgemeinschaften erteilt werden, die bestimmte Kriterien erfüllen. Laut Landesregierungen, die für die Anerkennung der Religionsgemeinschaften zuständig sind, gibt es keine islamischen Religionsgemeinschaften, die diese Kriterien erfüllen.

Aus diesem Grund hat man in einigen Bundesländern Beiräte etabliert, die anstatt der Religionsgemeinschaften den Religionsunterricht organisieren sollen. In NRW und Niedersachsen ist das der Fall. In Berlin erteilt die Islamische Föderation in Berlin schon seit 14 Jahren den IRU.

 

IslamiQ: Der IRU soll die Partizipation in der Gesellschaft erleichtern und dem Islam zu einer Anerkennung als Teil dieser Gesellschaft verhelfen. Nun soll er auch religiöser Radikalisierung vorbeugen. Was halten Sie davon?

Kesici: Der Religionsunterricht in der Schule hat ein Bildungsauftrag. Dazu gehört auch, dass man Radikalisierungen entgegentreten soll. Die Forderungen von einigen Politikern, die nun vom IRU verlangen, dass sie primär der Radikalisierung entgegen treten soll, halte ich für falsch. In erster Linie ist der IRU ein Unterricht wie jeder andere Unterricht auch. Er hat einen Rahmenplan und Inhalte, die abgearbeitet werden müssen.

Im Rahmen des Islamischen Religionsunterrichts wird das Zusammenleben in einer multireligiösen Gesellschaft ausgiebig behandelt. Die Schüler lernen relativ früh, dass die Vielfalt bereichernd ist und dass das der Islam den Weg der Mitte verlangt, d. h. Extreme ablehnt.