Die Instagram-Generation verbringt scheinbar mehr Zeit in „Sozialen Netzwerken“ als im „Offline-Leben“ mit Familie oder Freunden. Auch für muslimische Jugendliche sind soziale Netzwerke nicht mehr aus dem täglichen Leben wegzudenken. Was das für Folgen hat und wie man sich diesen widersetzen kann, schreibt Ali Karaca.
Facebook, Twitter, Instagram, Youtube, Google Plus, LinkedIn, Whatsapp, Viber, Telegram, Messenger, Tumblr, Pintereset, Vimeo… Die Liste der sozialen Netzwerke, Videoplattformen und Apps wird immer länger und unübersichtlicher. Jede Nische wird identifiziert und mit einer weiteren Plattform gefüllt. Während soziale Netzwerke zu Beginn ihrer Einführung noch Teil des nicht digitalen Lebens waren und als Kommunikationsmittel für Verabredungen oder Ähnliches dienten, hört man heute zu Hochzeiten von Facebook und Co. öfter Fragen wie „Hast du das Video gesehen, was Daniel gestern gepostet hat?“ oder „Hast du schon mein neues Profilbild gesehen?“
Das alltägliche Leben scheint mittlerweile Teil des digitalen „social life“ geworden zu sein. Regelmäßig bekomme ich mit, wie Freunde und Bekannte morgens nach dem Aufwachen, noch bevor sie ihre Augen vollständig geöffnet haben, hastig ihr Smartphone im Bett suchen, um verpasste Whatsapp-Nachrichten und die neuesten Posts von Freunden zu checken. Durch „Phänomene“ wie diese lassen sich auch die scheinbar unglaublichen Nutzerzahlen von sozialen Netzwerken erklären. So wurde nach Hochrechnungen von similarweb.com in Deutschland der Rekordhalter facebook.com allein im September 2014 mehr als eine halbe Milliarde mal angeklickt, während es im September 2013 noch gerade einmal etwa 430 Millionen Klicks waren.
Auch muslimische Jugendliche sind Teil des Social-Media-Booms. Viele seien lediglich bei sozialen Netzwerken oder Nachrichtendiensten angemeldet, „um wichtige News zu erhalten“ und „Hadith- und Koran-Fanpages zu followen“ oder zur „Verbreitung islamischer Inhalte beizutragen“. Das gestaltet sich in der Regel wie folgt: Spätestens donnerstagsabends ab 21 Uhr erhält man ein Bombardement an mehr schlecht als recht gestalteten Grafiken, die eine „islamische Message“ enthalten, da die Nacht zum Freitag und der Freitag selbst nach dem islamischem Glauben gesegnet sind. Fragt man einige der Personen, warum denn der Freitag gesegnet sei, bekommt man leider keine zufriedenstellende Antwort.
Auch ob die Versendung solcher Grafiken tatsächlich einen Mehrwert im Leben muslimischer Jugendlicher bietet ist fraglich. Bei der Masse an Bildern und Nachrichten die man täglich und wöchentlich erhält, klicken doch viele einfach weg. Auch muslimische Organisationen, vor allem Jugendorganisationen, setzen bei der Verbreitung von Informationen, Artikeln, Grafiken und Postern vermehrt auf soziale Netzwerke, da ihre Zielgruppe diese ja immer mehr nutzt. Diese verschwinden in kürzester Zeit in den unendlichen Weiten von Facebook und Co. Ironischerweise gilt das auch für den vorliegenden Artikel, der eigentlich als Kritik an der Nutzung der sozialen Medien gedacht ist.
In einer Koransure steht: „Bei der Zeit, wahrlich der Mensch ist in einem Zustande des Verlusts, außer denen, die glauben und gute Werke tun und einander zur Wahrheit mahnen und einander zum Ausharren mahnen.“ (Sure Asr) Hier schwört Gott auf die Zeit und weist darauf hin, dass wir im Verlust sind. Der Lösungsvorschlag für dieses Problem ist, gute Werke zu tun. Anstatt unsere wertvolle Zeit mit unnötigen Posts, Likes, Videos, Followern und Retweets zu verbringen, sollten wir folgendes tun: „Lies im Namen deines Herrn, der erschuf – erschuf den Menschen aus einem Klumpen Blut. Lies! Denn dein Herr ist der Allgütige, der den Menschen lehrte durch die Feder. (Sure Alak, 96:1-4)
Meine Empflehlung von „jung“ zu „jung“: Geh mal offline! Um unser Bedürfnis nach „Sozialem“ zu stillen, gibt es zahlreiche Non-Profit-Organisationen, die für echte soziale Zwecke arbeiten. Wer tatsächlich netzwerken möchte, sollte sich eher mit Freunden oder Familie treffen, Sport treiben, gemeinsam kochen oder ähnliches. Statt dem täglichen Wahnsinn der Selbstmitteilung zu verfallen, könnte man auch einfach mal ganz „altmodisch“ ein Buch lesen.