Der Jurist Merkel kritisiert das Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts dahingehend, dass der Aspekt des Schulfriedens missbraucht werden könne, um Lehrerinnen das Kopftuch tragen dennoch zu verbieten und damit ihr Grundrecht einzuschränken.
Nach Einschätzung des Hamburger Juristen Reinhard Merkel könnte das Kopftuchurteil langfristig die Ausübung von Religionsfreiheit einschränken. Wenn der Schulfrieden durch eine kopftuchtragende Lehrerin akut bedroht ist, muss sie es künftig im Unterricht ablegen. „Die Ausübung eines Grundrechts, heißt das, endet an ihrer öffentlichen Missbilligung durch andere“, so Merkel am Donnerstag. Die Bekenntnisfreiheit hänge nun von der Willkür Dritter ab, von einem möglichen „schieren Unwillen, jene Grundrechtsausübung hinzunehmen.“ Damit verspreche das Urteil mehr, als es letztlich gewähre.
Mitte März hatte das Bundesverfassungsgericht ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen als verfassungswidrig abgelehnt. Das Urteil führte bundesweit zu einer Debatte. Die katholische Kirche begrüßte es als „starkes Signal für die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit“. Zuletzt hatten Schulleiter kritisiert, die Neutralität der Schulen müsse nun neu ausgehandelt werden.
Die Karlsruher Richter erläuterten weiter, dass ein generelles Kopftuchverbot unter Verweis auf eine mögliche „abstrakte» Gefahr für den Schulfrieden ein verfassungswidriger Eingriff in die Religionsfreiheit sei. Ein Verbot sei nur dann möglich, wenn das Tragen der Kopfbedeckung zu einer konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität führen könnte.
Das klinge einleuchtend, so der Jurist Merkel. Jedoch störe eine Lehrerin mit Kopftuch nach dieser Definition dann den Schulfrieden, „sobald sich andere an ihr stören“. Dies kollidiere mit dem Begriff des subjektiven Rechts. Es wäre plausibler und dem Schulfrieden dienlicher gewesen, so der Strafrechtler weiter, „die geläufige Form des grundsätzlichen Verbots mit Erlaubnisvorbehalt anzuordnen“.(KNA/iQ)