„Die Kunst ist frei“. Frei von Grenzen und Debatten. Künstler mit muslimischem Migrationshintergrund nutzen die Freiheit und zeigen deutlich: Wir gehören zu Deutschland. Heute die Künstlerin Betül Burnaz.
Würdest Du Dich bitte vorstellen?
Ich bin vor ca. 12 Jahren nach Wien gekommen um zu studieren und absolvierte ein Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien und besuchte den Zertifikatkurs bei „KulturKonzept Austria“ als Kunst- und Kulturmanagerin. Zudem bin ich Obfrau des Vereins QultArt und Mitglied der IG bildende Kunst. Meine Tätigkeitsfelder sind: Marmorieren(Ebru), Öl/Acrylmalerei, Islamische Kaligraphie (Hat) und traditionellen bildenden Künsten. Meine Bilder werden in Österreich, der Türkei und in Ungarn ausgestellt. Demnächst werden in Warschau, Berlin und Köln weitere Ausstellungen folgen
Was möchtest Du mit Deiner Arbeit bewirken?
Künstler sind keine passiven Beobachter des Lebens. Sie sind unterwegs, um das Schöne, welches Gott erschuf, ins Leben zu tragen. Sie sind Reisende, die auf natürlichem Wege versuchen „etwas Schönes“ zu tun um dann zum „Besten“ zu gelangen. Ich bin eine Künstlerin, die aus dem Orient kam und ihre Ausbildung im Westen abschloss. Demnach versuche ich, eine Synthese aus Orient und Okzident zu verwirklichen. Beide Kulturen in einem Tiegel zu verschmelzen und auf die Leinwand zu übertragen. Ich möchte zeigen, wie schön diese Vielfältigkeit/Unterschiedlichkeit sein kann.
Ist Dir Dein kultureller und/oder religiöser Background wichtig?
Für mich kann es keine Hierarchie dieser beiden Entitäten geben. Denn auch wenn ich durch die Kultur jener Gesellschaft beeinflusst bin, in der ich aufwuchs, fällt meine Entscheidung ganz klar zugunsten meiner Religion. Somit kann ich in dieser Gesellschaft, in der es unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Religionen gibt, mich auf den Islam beziehen, mir aber trotzdem verschiedene kulturelle Codes aneignen und dementsprechend leben.
Wie stark beeinflusst Dein Background Dein künstlerisches Schaffen?
Ich kann sagen, dass ich diesen Background insbesondere in den religiösen Motiven meiner Bilder sehr stark mit einbeziehe. Es ist nicht möglich, meine Kunst von meiner religiösen Auffassung zu loszulösen. In unseren Leben geht es im Grunde stets um ineinander Verwobenes und insbesondere bei Künstlern ist dies ein Zustand, der noch viel stärker erlebt wird. Ich zeichne und male aus der Perspektive der Gottergebenen, die die vorhandene Schönheit, die durch Gottes Schöpfung erst real ist, ehrt. Aus diesem Bewusstsein heraus erkenne ich, dass nur Gott perfekt sein kann. In praktischer Form sieht es meist so aus, dass ich Formen der Geometrie zur klassischen Hat-Schrift neu zu interpretieren versuche.
Studien attestieren eine steigende anti-islamische Stimmung in Europa. Bist Du persönlich Diskriminierungen dieser Art ausgesetzt?
Wie ich eingangs sagte, studierte ich an der Universität Politikwissenschaft und erkenne was heutzutage geschieht. Jeder, der selbst seinem eigenen Verstand und nicht den Medien folgt und die historischen Erfahrungen kennt, wird es ebenso erkennen: Es werden Hassobjekte geschaffen. Insbesondere Europa hat das Bedürfnis in Zeiten wirtschaftlicher Krisen diese Feindbilder zu setzen. Ich war erst einen Monat in Wien, als der 11.September geschah. Kurz darauf stieß mich ein präsentabel aussehender Mann mit seinem Aktenkoffer und ging einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Ich hingegen wusste nicht, was ich tun soll. Hiernach haben sich in den folgenden 14 Jahren die verbalen und physischen Belästigungen niemals verringert. Islamfeindliche Angriffe gab es in den letzten Jahrzehnten immer, nur die Intensität hat sich erhöht.
Denkst Du, dass der Islam zu Deutschland gehört? Wieso?
Nach unserem Glauben, „gehört die Erde Allah“. Wie der berühmte iranische Soziologe Ali Schariati in seinem Buch „Religion gegen die Religion“ sagte, kann man in den Koranversen bezüglich des sozialen und wirtschaftlichen Lebens, statt „Allah“ der Begriff „Volk“ einsetzen. Somit gehört die Erde ohne jedwede Grenze den Menschen. In diesem Verständnis sind Reisepässe und Visa obsolet. Dass Menschen, die im Bestreben Europa zu erreichen, ertrinken, Folter erdulden und anschließend wieder ausgewiesen werden, umso schrecklicher. Genau wie ein Jude oder Christ zur Türkei gehört und die Türkei über Jahrhunderte verschiedenen Religionen und Kulturen beheimatet, so gehört der Islam auch zu Deutschland/ Europa/ zu allen Orten der Welt. Wir müssen unsere kulturellen und religiösen Unterschiede als Vielfältigkeit erkennen und Beziehungen aufnehmen, die auf Barmherzigkeit beruhen. Denn Menschen fürchten sich nicht vor Bekanntem!