Das neu gegründete „Muslimische Forum“ wirbt damit „humanistisch“ und „liberal“ zu sein, gleichzeitig wird die Plattform von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt. Wir haben mit dem Journalisten Eren Güvercin über das Forum und über die sogenannte „schweigende Mehrheit“ gesprochen.
IslamiQ: Wie bewerten Sie den Umstand, dass das „Muslimische Forum“, welches die Mehrheit der Muslime vertreten möchte, von der der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt wird?
Eren Güvercin: Dass sich eine Gruppe von Muslimen zusammen tut und ein Muslimisches Forum Deutschland gründet, ist grundsätzlich eine gute Sache. Wenn man sich allerdings die Gründungserklärung genau durchliest, wird man schon stutzig. Sich selber schmückt man sich mit Labels wie „humanistisch“, „liberal“ etc., und erweckt bewusst den Eindruck, als ob die etablierten muslimischen Gemeinschaften genau das Gegenteil seien. Das ist schon eine Dreistigkeit.
Dass eine renommierte Stiftung wie die Konrad-Adenauer-Stiftung solch eine Initiative mit dieser Gründungserklärung unterstützt, ist der eigentliche Skandal. Schon der Liberal-Islamische-Bund hatte diese aggressive Rhetorik gegen die „konservativen“ Muslime gefahren. Das ist nichts Neues. Die neue Qualität bei diesem Forum ist, dass hier ein politischer Akteur sich einen Ansprechpartner für die so genannte „schweigende Mehrheit“ selbst backt. Diese Sprecher der „schweigenden Mehrheit“ kann mit einer „Partei der Nichtwähler“ vergleichen, die zwar keine Wähler hat, aber für sich beansprucht für die 40% der Bevölerkung zu sprechen, die nicht zur Wahl geht.
Einerseits kritisiert man leidenschaftlich die Auslandsfinanzierung, betreibt aber selber eine Inlandsfinanzierung, die eine ideologisch-politische Einflussnahme in die Belange der muslimischen Community zum Ziel hat.
IslamiQ: Der CDU-Politiker Franz Josef Jung begrüßt das neue Forum für Muslime, außerdem werde mit dem „Zusammenschluss einflussreicher Muslime“ eine Lücke geschlossen. Das Forum orientiere sich an humanistischen Werten und bekenne sich „ohne Ausnahme zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Dies sei ein guter und wichtiger Ansatz, so der religionspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Welche Folgen haben Aussagen wie diese auf die Reputation der anderen islamischen Religionsgemeinschaften?
Güvercin: Es ist erstaunlich, dass man mit den etablierten Religionsgemeinschaften auf Landesebene und Bundesebene zusammen arbeitet, etwa wenn es um den Islamischen Religionsunterricht geht, aber durch diese Aussage von Jung wird wieder klar, dass man eigentlich gerne mit Vertretern einer muslimischen Randgruppe diese Themen behandeln würde. Mich würde einmal interessieren, wie die Kirchen darauf reagieren würden, wenn eine politische Partei künstlich neben den Kirchen christliche Randgruppen als Ansprechpartner nehmen würde. Ich glaube, da würden Kirchenvertreter auf die Barrikaden gehen. Oder anders gesagt: die Politik würde sich so etwas erst gar nicht trauen. Bei den Muslimen kann man es ja versuchen.
IslamiQ: Was ist verkehrt daran, dass Muslime, die sich von anderen Verbänden nicht vertreten fühlen, zu einer Vereinigung zusammenschließen ?
Güvercin: Daran ist gar nichts verkehrt. Jeder hat das Recht dazu. Nur hier geschieht das durch eine Hilfe einer Parteistiftung. Wir reden ja oft von der Trennung zwischen Religion und Politik. Scheint bei Muslimen nicht zu gelten, wenn der deutsche Staat oder deutsche Parteien den aktiven Teil ausmachen. Man muss sich natürlich auch die Gründungserklärung anschauen. Sie bedient die bereits vorhandenen Ressentiments gegenüber Muslimen: nicht humanistisch, nicht liberal, nicht grundgesetztreu. Wenn so eine Erklärung auch noch ein Prof. Khorchide, der die Lehrerlaubnis vom Koordinationsrat der Muslime (KRM) hat, also den etablierten islamischen Religionsgemeinschaften, mitverfasst, ist es umso absurder.
Auch sehr interessant sind die Teilnehmer dieses Forums: beispielsweise der libanesische Christ Ghadban, er hat jahrelang massiv gegen aktive Muslime geschossen und diese als Islamisten markiert. Da können so einige Muslime ein Lied davon singen.
IslamiQ: Wie kommt es, dass religiöse Gemeinschaften, die eigentlich keine breite Basis haben mehr Medienpräsenz zeigen können/ vermeintlich „mehr zu sagen“ haben, als jene, die viele Mitglieder vertreten?
Güvercin: Das ist in der Tat erstaunlich. Wie ich eben schon sagte: die Medien sind leidenschaftlich bei der Sache, wenn es um die Auslandsfinanzierung der Moscheegemeinden geht, aber der Eingriff von politischer Seite aus Deutschland wird kaum bis gar nicht thematisiert.
Andererseits bedienen die Akteure in diesem Muslimischen Forum Deutschland die Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft. Man weiß genau, was die Politik oder die Medien hören wollen, um ihre Aufmerksamkeit und Unterstützung zu bekommen. Das ist also ein politischer Islam, nur in seiner politisch korrekten Form. Nur für wen sprechen diese Akteure? Seltsam ist, dass die schweigende Mehrheit immer noch schweigt.
Diese Konstruktion, wie auch ihre Vorgänger, werden bald wieder eingestampft werden. Es ist eine künstliche Konstruktion. Ein „Forum“ wird diese Runde nie sein, weil sie die Mehrheit der Muslime und Moscheegemeinden ins schlechte Licht rückt und kein Interesse an einem Austausch hat.